Die Tat in Aschaffenburg erschüttert. Jana Weidhaase vom Flüchtlingsrat Bayern spricht über die Probleme der Migrationspolitik und die Notwendigkeit frühzeitiger Interventionen bei psychisch bedingten Taten.
Die Tat von Aschaffenburg hat auch Jana Weidhaase vom Flüchtlingsrat Bayern erschüttert. Hinter dem Vorfall stecken viele Fragen und strukturelle Probleme in der Migration spolitik Bayerns. Unions-Kandidat Merz will im Falle seines Wahlsiegs einen härteren Asyl -Kurs. Kanzler Scholz schiebt die Schuld zu den bayerischen Behörden. Markus Söder empfindet das als Hohn.
Viele Menschen verstehen die Tat aus menschlicher Sicht und fordern nun: Alle Afghanen raus - oder alle Straftäter, alle Geflüchteten raus. Das sind einfache Lösungen, meint Weidhaase. Sie arbeitet in der Geschäftsstelle München des Flüchtlingsrats in Bayern und berät Geflüchtete beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Der Flüchtlingsrat versteht sich als Menschenrechtsorganisation, die sich für Geflüchtete einsetzt. Flüchtlingsräte gibt es in allen Bundesländern. In Aschaffenburg haben tausende Menschen der Opfer des tödlichen Messerangriffs gedacht. Der Tatverdächtige wurde dem Haftrichter vorgeführt und in der Psychiatrie untergebracht. Menschen, die gut eingebunden sind, die ein soziales Netzwerk oder Unterstützungsnetz haben, verüben normalerweise solche Taten nicht. Wir hatten keinen Kontakt zu dem Mann in Aschaffenburg, wir wissen noch zu wenig. Menschen, die solche Taten verüben, sind oft psychisch schwer krank und oft schlecht oder nicht betreut. Die haben keinen Zugang zu den wenigen Angeboten, die es für diese Menschen gibt. In Bayern betreut ein Sozialarbeiter in den Unterkünften 150 Geflüchtete. Da kann gar nicht jeder psychologische, psychiatrische oder sozialpädagogische Hilfen bekommen. Das kann sein, aber das kann viel bedeuten. Bei vielen Menschen, die ich betreue, heißt das, dass die Menschen vom Hausarzt, Facharzt oder in einer Klinik behandelt wurden und danach psychiatrische Medikamente bekommen. Eine Psychotherapie muss genehmigt werden, es braucht muttersprachliche Therapeuten oder Dolmetscher. Betreuung und Behandlung kann also viel heißen. Es gibt keine Systematik, dass psychische Erkrankungen von Anfang an erkannt werden können. Es gibt zwar eine EU-Regelung, dass vulnerable Gruppen identifiziert werden müssen. Die wurde aber in Deutschland nicht umgesetzt, das funktioniert nur im Einzelfall. Psychisch Kranke fallen erst auf, wenn etwas passiert ist. Wie leider in Aschaffenburg. Ja, es gibt keine Diagnostik, keine systematische Abfrage in irgendeiner Form. In Bayern kommen alle Menschen in ein Ankerzentrum, erst danach in Unterkünfte in den Kommunen. In diesen Aufnahmeeinrichtungen gibt es zwar vorgeschriebene Gesundheitsuntersuchungen. Aber keine auf psychische Erkrankungen. Manche haben Glück, dass sie an eine Sozialberatung oder Ärzte kommen, die diese erkennt. Aber bei einem Schlüssel von 1:150 kann nicht jeder ein langes Gespräch bekommen. Einen Tag nach dem tödlichen Angriff auf eine Kindergartengruppe in Aschaffenburg ist die Trauer überall spürbar. Peter Theisen berichtet von den Eindrücken der Menschen. Der politische Wille fehlt, das zu verbessern. Am Geld scheitert es nicht. Es gibt andere Sachen, wofür viel Geld ausgegeben wird - wie für die Bezahlkarte zum Beispiel. Es spielen auch andere Faktoren eine Rolle, wie die Größe der Unterkunft, das Arbeitsverbot, die Länge des Asylverfahrens zum Beispiel. Auch traumatische Gewalterfahrungen im Heimatland oder auf der Flucht. Der Druck: Kann ich bleiben oder muss ich wieder gehen? Die Früherkennung ist wichtig für die Prävention. Es ist sehr schwer, später jemand aus akuten Gründen in eine Psychiatrie zu vermitteln. Es muss schon eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung geben, damit eine Person dort behalten wird. Nach unserer Erfahrung werden sie im Schnitt nach einer Woche oder spätestens nach zehn Tagen wieder entlassen. Nach dem Terroranschlag in Magdeburg erleben Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt Anfeindungen. Trotz rechter Gesinnung des Täters leiden sie unter den Folgen der Tat. Ich weiß da nicht mehr als andere in Deutschland. Fatal ist, dass diese schreckliche Taten wie in Magdeburg und Aschaffenburg politisch ausgenutzt werden. Nach dem Motto: Hätten wir keine, keine Afghanen, keine Straftäter, wären alle Probleme gelöst. Messerattacken werden aber zur Hälfte von Deutschen begangen. Selbst wenn man jetzt also die Migration komplett stoppt, würde es sie weiter geben. Das will ich auch. Ich bin selbst Mutter und stelle mir vor, mein Kind würde in einer Kita-Gruppe angegriffen. Meine erste Reaktion wäre genauso: Vielleicht wäre es besser, wenn alle gehen. Schnelle und einfache Lösungen können vielleicht trösten. Es ist aber komplexer. Vielleicht sollte Politik mit pauschalen Äußerungen nach einer solchen Tat etwas vorsichtiger sein
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