Die Regisseurin Constanze Klaue setzte sich mit ihrer Biografie und dem Film „Mit der Faust in die Welt schlagen“ mit Ost-Erfahrungen und -Identitäten auseinander. Sie äußerte sich im Interview über die Überraschung bei dem westlichen Blick auf den Osten und die Probleme der ostdeutschen Gesellschaft.
Berlinale – Regisseurin Constanze Klaue : Ich war total überrascht, dass Westen denkt, dass der Osten ungebildet ist \Die Regisseurin Constanze Klaue beschäftigt sich seit langem mit Ost-Erfahrung und -Identität. Ihr Film „Mit der Faust in die Welt schlagen“ hat auf der Berlinale Weltpremiere gefeiert. \Ihre Biografie stellt keine Besonderheit dar.
„Mit zwölf Jahren fing ich an zu rauchen, mit dreizehn kiffte ich nach der Schule heimlich im Park und mit vierzehn gab ich zu, dass ich mir das Kotzen nicht mehr so einfach abgewöhnen konnte. Mit siebzehn war ich magersüchtig, meinen 20. Geburtstag verbrachte ich in der Klinik und mit 23 war ich endlich über den Berg.“ – Diese Sätze hat Constanze Klaue 2005 geschrieben, da war sie, die 1985 in Ost-Berlin Geborene, 30 Jahre alt. \Sie erzählt von der Orientierungslosigkeit, dem Identitätsverlust, den sie bei der Mutter beobachtete. Davon, dass ihr Vater seine Arbeit verlor, er erst frisch rasiert und mit gebügeltem Hemd zu den Vorstellungsgesprächen ging und mit der Zeit so blau war, dass er das Fahrrad nehmen musste, statt mit dem Auto zu fahren. „Ich beschreibe in dem Essay, was mich zur Ostdeutschen gemacht hat“, sagt sie. Zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit wurde „Unsere Heimat“ vom Bundesinnenministerium ausgezeichnet, aber Constanze Klaue fällt an diesem kalten, sonnigen Morgen in Berlin einfach nicht mehr ein, wer ihr damals den Preis verliehen hat. In dem Essay hat sie sich zum ersten Mal künstlerisch mit diesem Thema beschäftigt, das sie seitdem nicht mehr losgelassen hat. Auch in ihrem Filmdebüt „Mit der Faust in die Welt schlagen“-Intendantin gegründete Sektion Perspectives. Und es ist kein Wunder, dass die Wahl auf dieses packende, grandios gemachte Werk mit seiner herausragenden Besetzung gefallen ist. „Mit der Faust in die Welt schlagen“ erzählt aus der Perspektive zweier Jungs von der bleiernen Zeit im Osten nach der Wende, von Arbeitslosigkeit, Stasi, Alkohol, Perspektivlosigkeit, den Baseballschlägerjahren, geprägt von Rassismus und rechter Gewalt. Es ist ein Film, der von einer einzigen Familie handelt und in dem trotzdem allgemeingültige Erfahrungen stecken, auch Constanze Klaues eigene. In dem Haus, in dem der Film spielt, hat sie mit ihrer Familie selbst fünf Jahre lang gewohnt. Wobei es ihr wichtig gewesen sei, den Osten nicht in jeder Szene zu thematisieren. „Der Erfolg rechter Parteien ist ein europäisches Phänomen“, sagt sie. „Der Film könnte überall spielen.“ Auch in Westdeutschland werde die \Wir treffen uns in einem Restaurant am Hackeschen Markt, es ist an diesem Vormittag so gut wie leer. Dass der Kollege unser Gespräch unterbricht, weil er erstmal fotografieren möchte – kein Problem. Constanze Klaue hat null Allüren. Dann erzählt sie so freimütig und offen, wie schon in ihrem Essay: Sie komme aus einer Familie, die zum Teil Arbeiterklasse sei und zum Teil Akademiker. „Wir sind ins Theater gegangen, ins DT, ins BE, wir kennen uns aus. Ich war total überrascht, dass der westliche Blick davon ausgeht, dass der Osten ungebildet ist, dümmlich. Da denke ich, ihr kennt uns doch noch gar nicht.“ Bis heute nicht. Erst mit dem Zuwachs der AfD-Zahlen sei das Interesse am Osten gestiegen. „Wenn es um AfD-Wähler geht, wird schnell vergessen, dass die ja nicht wie Pilze aus dem Boden schießen, sondern dass die meisten vorher demokratisch gewählt haben, bis sie sich irgendwann anders entschieden haben“, sagt sie. „Meine Hoffnung ist, dass sich das rückgängig machen lässt.“ Wie? „Indem man die Probleme dieser Menschen wahrnimmt.“ Sie glaubt, dass die Menschen in Ostdeutschland vielleicht einen Bruch zu viel mitmachen mussten: „Wende, Wirtschaftskrise, Corona, Krieg, drei Währungen.“ Und die Probleme würden gerade für Menschen mit wenig Geld nicht geringer. Für die im Niedriglohnsektor. „Und davon gibt es nun mal die meisten im Osten.“ Sie findet, dass die Sozialpolitik zu kurz komme, sie findet es schlimm, dass sich alle auf das Thema Migration stürzen. „Es wäre einen Versuch wert, das Thema einmal zu ignorieren. Oder jedenfalls nicht zu denken, wir gewinnen die AfD-Wähler zurück, wenn wir das Gleiche bieten wie die AfD.“gelesen, „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“, und sie sagt, dass die darin beschriebene Ungerechtigkeit sie ohnmächtig mache. Und wütend. Sie beugt sich über den Tisch, man spürt ihre Engagiertheit. „Das Buch ist komplett berechtigt.“ Neulich war sie bei Steffen Mau im Pfefferberg, wo er über sein Buchgesprochen hat. „Es hat mich interessiert, ob das nur Ossis sind, die diese Bücher lesen.“ Sie hat die Zahlen notiert, zückt ihr Handy, liest vor: Bei Oschmann seien es 70 Prozent Ost, 30 Prozent West, bei Mau sei es fast genau andersrum. Sie selbst zieht den nüchterneren Blick von Steffen Mau vor, die Idee, Unterschiede anzuerkennen. „Die Ostidentität hat bei Ossis einen ziemlich hohen Stellenwert, ich würde die gern behalte
Berlinale Constanze Klaue Mit Der Faust In Die Welt Schlagen Ostdeutschland Westlicher Blick Afd Sozialpolitik
Deutschland Neuesten Nachrichten, Deutschland Schlagzeilen
Similar News:Sie können auch ähnliche Nachrichten wie diese lesen, die wir aus anderen Nachrichtenquellen gesammelt haben.
Constanze Neumann übernimmt ein Verlagsprogramm bei Bastei LübbeDie in Leipzig geborene Berlinerin und ehemalige Aufbau-Verlegerin wird künftig für den Verlag arbeiten, der mit New-Adult-Titeln den Markt aufgemischt hat.
Weiterlesen »
Überraschung: Auf diese 10 Aktien setzt der beste Hedgefonds-Manager der WeltTop-Hedgefonds-Manager Niemczewski erzielt mit Value Investing und Fokus auf Konsumgüter hohe Renditen.
Weiterlesen »
Gastgeber verliert: König sieht erste große WM-ÜberraschungGastgeber Norwegen verliert überraschend bei der Handball-WM vor den Augen von König Harald gegen Brasilien. Kroatien schlägt Bahrain.
Weiterlesen »
Nächste Pleite im Eurocup: Towers schrammen an Überraschung vorbeiDen Veolia Towers Hamburg ist auch im vorletzten Auswärtsspiel im Eurocup in dieser Saison ein Sieg in der Fremde versagt geblieben. Der
Weiterlesen »
Taktik-Überraschung bei Real Madrid: Ancelotti plant Umbruch in der StartelfCarlo Ancelotti, der Trainer von Real Madrid, plant, die Taktik des Teams in wichtigen Spielen zu überarbeiten. Ancelottis Überlegungen drehen sich um die Startelf-Besetzung, insbesondere um die Einbeziehung von mehr defensiv ausgerichteten Spielern. Die Taktik-Änderung könnte dazu führen, dass nicht alle Superstars des Vereins von Beginn an auf dem Platz stehen. Ein möglicher Grund für diese Änderung ist die mangelnde Balance zwischen Angriff und Verteidigung im Spiel, wie es in der Partie gegen Barcelona deutlich wurde.
Weiterlesen »
„Love is Blind: Germany“-Überraschung: Nur ein Paar heiratetIm Finale sehen wir, wer bei „Love is Blind: Germany“ heiratet. Die Auflösung dürfte überraschen, denn nur ein Paar traut sich, obwohl..
Weiterlesen »