David Lynch, der Meister des Abgründigen und ein vielseitiger Künstler, verstarb im Alter von 78 Jahren. Sein Freund und Journalist Rüdiger Sturm erinnert sich an den Regisseur und dessen einzigartige Persönlichkeit.
David Lynch, der legendäre Regisseur, verstarb im Alter von 78 Jahren. BILD-Autor Rüdiger Sturm, der seit 20 Jahren befreundet mit Lynch war, erinnert sich in einem persönlichen Nachruf an den Künstler. Als ich vor sieben Tagen wegen der massiven Brände in Los Angeles bei David Lynch nachfragte, erhielt ich eine E-Mail von seinem Assistenten aus den Hollywood Hills. „Wir sind sicher evakuiert, und es geht David gut“, schrieb er.
Lynchs Gesundheitszustand, der durch seinen Lungenemphysem und Sauerstoffzufuhr beeinträchtigt war, verschlechterte sich jedoch in der rauchigen Luft von Los Angeles massiv. Ich hätte gewarnt sein können. Anfang des Jahres erklärte Lynch seinem Assistenten, dass er nie wieder Videointerviews geben und auch sonst bis auf Weiteres auf Interviews verzichten wolle. Das war nicht nur aus journalistischem Interesse bedauerlich. Aus den vielen Begegnungen im Laufe von mehr als 20 Jahren hatte sich seine unnachahmliche Art eingeprägt: eine kindlich verschrobene Versonnenheit, gemischt mit einer Spur von Skepsis und weltoffener Güte.Lynch war als Meister des Abgründigen bekannt, doch im realen Leben war er die Sanftheit in Person. Wenn ich ihn bat, mit einer ratsuchenden Person zu sprechen, setzte er sich für eine halbe Stunde ans Telefon. Er nahm private Grußbotschaften auf, und einmal wollte er auf meine Anregung hin eine weltbekannte Sängerin dazu bewegen, einen Benefizsong aufzunehmen. Die lehnte zwar ab, aber allein sein Einsatz sprach Bände.Der Weg zu ihm nach Hause führte durch winzige Straßen hoch in die Hügel von Hollywood. Sein Büro war ein labyrinthischer Komplex, wo eine Schar junger Mitarbeiter an unzähligen kleinen Projekten arbeitete. Für ein Treffen wurde man von einem Innenhof mit Ganesha-Statue begrüßt, hinauf zu einem Bungalow, wo er mit einem gutmütigen Lächeln an einer Werkbank saß – die eine Hand an der obligatorischen Kaffeetasse, die andere eine Zigarette haltend. David Lynch war ein künstlerischer Tausendsassa: Regisseur, Autor, Schauspieler, Musiker, Zeichner, Fotograf, Designer, Bildhauer... es gab so gut wie nichts, was er nicht konnte. „Twin Peaks“, das in den 90er-Jahren lief, gilt als Wegbereiter moderner TV-Serien – hier mit Michael Ontkean und Kyle MacLachlan. Und dann wurde aus geplanten 20 Minuten schon mal eine Stunde. Mit seinem Liebesbekenntnis zum Rauchen, das er erst vor zwei Jahren aufgab, hätte er die perfekte Ikone der Zigarettenindustrie abgeben können. Früher meinte er: „Wir sterben doch sowieso auf die eine oder andere Weise. Wir sollten unser Leben genießen, solange es währt.“ Manches an ihm erinnerte mich an einen Guru. Das lag auch daran, dass er mit seiner Stiftung die von Maharishi Mahesh Yogi entwickelte transzendentale Meditation propagierte. Angst vor dem Tod hatte er nie: „Das ist so, wie wenn du aus deinem Auto aussteigst, das nicht mehr fährt. Dein Bewusstsein existiert weiter. Und es kehrt in einem neuen Leben zurück, bis du eines Tages die große Enchilada bekommst. Das ist die absolute Erleuchtung. Und dann kommst du nicht mehr wieder.
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