Eine neue Dokumentation beleuchtet das Hamburger Stadtduell zwischen dem HSV und St. Pauli. Im Vergleich zu anderen Derbys, wie dem Superclásico in Buenos Aires oder dem Old Firm in Glasgow, wirkt die Rivalität in Hamburg relativ harmlos.
Die einst so häufige Begegnung des Revierderbys ist in Deutschland verschwunden und wird es wohl auf absehbare Zeit bleiben. Berlin hat sein Stadtduell verloren, von München reden wir gar nicht mehr. Mönchengladbach spielt in einer anderen Liga als der 1. FC Köln. Der Hamburger SV kann sich immerhin noch auf ein Derby in seiner eigenen Stadt freuen.
Der Norddeutsche Rundfunk hat eine Dokumentation darüber gedreht, die es aus der Vorsaison noch einmal gab, aber dafür auch nach Südamerika gereist, um sich den argentinischen Superclásico anzusehen. Die Reise führte zuletzt nach Schottland, ins Herz aller Derbyrivalität, zum Old Firm, dem Spiel der Glasgower Klubs Celtic und Rangers. Es ist eine interessante kulturelle Weltreise geworden, weil sie vor allem die Unterschiede aufzeigt: der gezüchtete Hass in Glasgow, die Passion in Argentinien. Dagegen wirkt die Rivalität in Hamburg geradezu handzahm, hanseatisch eben. Und am Ende der Dokumentation ist man darüber auch ganz froh, wie harmlos es im Grunde zwischen Reeperbahn und Stellingen zugeht. Eine Fußballantagonismus in der eigenen Stadt, das ist die Wurzel des Derbycharakters, dass es zwischen Nachbarn ausgetragen wird. Nachbarn, denen primär eines wichtig ist: anders zu sein als der andere. Helmut Schulte, der frühere St.-Pauli-Trainer und Manager des Klubs, zählt in der Dokumentation auf, was ihm an Differenz durch den Kopf geht, wenn er an das Hamburger Stadtduell denkt: »Klein gegen Groß, Stadtteilverein gegen Stadtverein, unten gegen oben, Habenichtse gegen Establishment.« Es ist klar, welches Attribut welchem Klub zugeordnet ist. Ein Derby definiert sich über das Klischee. Wenn es zum Hamburger Stadtduell kommt, dann denken St.-Pauli-Fans vermutlich immer noch, dass sie der Underdog sind. Obwohl sie in der Bundesliga spielen und der HSV seit nunmehr sieben Jahren Zweitligist ist. Und den HSV-Anhängern geht es andersherum ähnlich. Manfred Kaltz, einer ihrer Helden von früher, sagt in der Dokumentation: »Der HSV ist nicht kleiner geworden«, sportlich sei dies »derzeit eine Ausnahmesituation«. Wer wird Deutscher Meister? Ha-Ha-Ha-Ha-Es-Vau. Die Wahrheit liegt dort, wo sie der frühere HSV-Torwart Richard Golz, nach seiner aktiven Karriere Berater des Hamburger Amateurvereins Altona 93, formuliert: »Beide sind Eventvereine geworden.« Die Hardcore-Fans beider Teams würden das empört zurückweisen. Das passt nicht in die Derbyerzählung. Eventvereine, das sind die Spitzenklubs mittlerweile in Gänze, dennoch: Wer nach Buenos Aires und Glasgow fährt, um die dortigen Derbys zu begutachten, entdeckt noch eine sehr andere Derbykultur. In der Dokumentation sagt ein Boca-Fan: »Bevor du stirbst, solltest du Boca gegen River Plate gesehen haben.« Superclásico sehen und sterben. Allein der Name: Real Madrid gegen Barcelona mag der Clásico sein, aber Buenos Aires hat den Superclásico. Gespeist von einer Leidenschaft, die in ständiger Versuchung steht, überzukochen, zu kippen in Gewalt und Hass. Derby bedeutet auch immer, sich für besser zu halten als der andere. Auf den Gegner hinabzuschauen, in einer Mischung aus Stolz, Minderwertigkeitskomplex, Überheblichkeitsgefühl und Neid. Das ist die unsympathische Seite der Derbytradition, aber ohne sie wären die Derbys nicht das, was sie geworden sind. Die Fans der Boca Juniors nennen den Rivalen River Plate die Millonarios, das war erst ein Schimpfwort, mittlerweile trägt River Plate den Titel selbst stolz vor sich her. Ein River-Plate-Anhänger sagt: »Boca ist nur ein Stadtteilklub, wir sind ein Weltverein.« Aber Boca hatte den Weltspieler, Boca hatte, dass das Spiel in der Copa Libertadores nach Madrid verlegt wurde. Eine Partie zweier Klubs aus derselben Stadt wird auf einem anderen Kontinent ausgetragen, das ist die Pervertierung des Derbygedankens. Der Superclásico, er schäumt über, aber es ist immer noch das Überschäumende des Südens, ohne Temperament ist die Hispano-Kultur nicht vollständig: Das Derby lebt vom Klischee. In Glasgow, der Partie, bei der all die Begriffe, die das Martialische im Fußball unterstreichen, angebracht scheinen: Duell, Auseinandersetzung, Kampf. Der SPIEGEL nannte es das »brisanteste Fußballderby der Welt«. Christopher Jack, Journalist aus Glasgow, sagt in der Dokumentation: »Alles rund um The Old Firm ist schwarz und weiß. Du bist auf der einen oder auf der anderen Seite.« Die Herkunft der Celtics als irische Einwanderer, der tief sitzende Glaubensgegensatz, da muss man diesen bei Fans so verachteten Satz einmal schreiben: Dabei ist es doch nur Fußball. Nur Fußball? Das Leben! Die katholischen Iren und die königstreuen Protestanten, eine Miniatur des Nordirland-Konflikts auf schottischem Boden, immer wieder fällt das Wort »the Enemy«, der Feind. Wenn man der vulgärpsychologischen These anhängt, dass Fußball für manche Männer ein Kriegsersatz sei, dann findet man in Glasgow zumindest Indizien dafür. In Glasgow lachen sie kehlig über das deutsche Wort Hochrisikospiel
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