Maria, eine junge Lehrerin, konfrontiert sich mit der erschreckenden nationalsozialistischen Vergangenheit ihrer Familie. Ihr Urgroßvater Wilhelm Dreimann war der „Henker von Neuengamme“ und an grausamen Verbrechen beteiligt. In der ZDF-Dokumentation „37°Leben: Der Nazi in meiner Familie“ erzählt Maria, wie sie mit der Wahrheit über ihre Familie umgeht und welche emotionale Wirkung das Erkennen der Vergangenheit auf sie und ihre Umgebung hat.
Marias Großvater war Wilhelm Dreimann, der im KZ Neuengamme als Rapportführer eingesetzt war. Maria, eine junge Lehrerin , erzählt in einer emotionalen ZDF -Dokumentation, wie sie sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ihrer Familie auseinandersetzt. Der Schock kam per Google-Suchanfrage: Wilhelm Dreimann, Marias Urgroßvater, war der „Henker von Neuengamme“.
Ein Wikipedia-Artikel hatte „Grausames offenbart“ über die Nazi-Vergangenheit eines Mannes, den Maria und ihre Eltern nie getroffen haben. Maria hatte „nichts geahnt von alldem, was wir herausgefunden haben“. In der ZDF-Doku „37°Leben: Der Nazi in meiner Familie“ stellt sie klar: „Wir sind eine völlig normale, unspektakuläre Familie, die aus meiner Perspektive auch nichts zu verbergen hatte.“ Wilhelm Dreimann sei ein „wüster Schläger“ gewesen, ein „Sadist“, der sich „durch Brutalität“ auszeichnete, heißt es in Aufzeichnungen, die Maria im Archiv des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme aushändigen ließ. Zwischen 1938 und 1945 waren in Neuengamme, wo Wilhelm Dreimann als Rapportführer eingesetzt war, rund 100.000 Menschen inhaftiert. Auf der offiziellen Webseite zur heutigen Gedenkstätte heißt es, mindestens 42.000 Gefangene seien in Neuengamme gestorben - durch Mord, Folter oder aufgrund der Haftbedingungen. Mit ihrer Familiengeschichte wurde Maria auch schon in ihrem Beruf als Lehrerin konfrontiert. Als sie als Referendarin an einer Hamburger Schule unterrichtete, sei ihr die dortige Gedenkstätte für die 20 ermordeten Kinder am Bullenhuser Damm zunächst gar nicht aufgefallen. „Warum ist an meiner Schule ein Gedenkort für die Kinder, die mein Großvater umgebracht hat?“, fragte sie sich später. Am Bullenhuser Damm wurden in der Nacht zum 21. April 1945 20 Kinder und deren vier Betreuer erhängt; auch Wilhelm Dreimann war an der Tat beteiligt. „Irgendwann wurde mir klar: Okay, ich muss mich damit auseinandersetzen. Ich werde ja immer wieder mit der Nase darauf gestoßen“, erinnert sich Maria. Damals habe sie das Gespräch mit ihrem Vorgesetzten gesucht, sich ihm über ihre Familiengeschichte anvertraut. „Wussten Sie, dass ich Jude bin?“, fragt der ehemalige Schulleiter Ruben Herzberg seine frühere Angestellte bei einer heutigen Begegnung. Maria verneint: „Heute wäre mir das völlig klar, schon aufgrund Ihres Namens. Aber damals hatte ich das Bewusstsein dafür noch gar nicht.“ Der Pensionär erinnert sich, dass ihn das Gespräch mit Maria „sehr berührt“ habe - so sehr, dass er etwas getan habe, das er „nie vorher und nie nachher mit einer Kollegin getan habe: Ich habe sie in den Arm genommen.“ „Das hat mir so gutgetan“, spricht Maria gar von einem „magischen Moment“: „Und Sie haben das getan mit den Worten: Wenn Ihr Urgroßvater wüsste, dass Sie hier stehen und Ihren jüdischen Schulleiter umarmen - er würde sich im Grabe umdrehen.“ Noch heute bekomme Ruben Herzberg „eine Gänsehaut“, wenn er an die Begegnung zurückdenke: „Dass sich die Nachkommen der Täter und der Opfer in den Arm nehmen und mit einem Gefühl großer Nähe miteinander auf diese schreckliche Vergangenheit schauen können, ist für mich ein Zeichen, was alles möglich ist auf dieser Welt.“ Auch, als sie mit Nicole Mattern von der Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm e.V. über das Verbrechen spricht, ist Maria sichtlich gerührt. Es sei „der Sadismus hinter dieser ganzen Geschichte“, der sie schmerze, erklärt sie unter Tränen. „So sehr ich schätze, was Maria macht: Eigentlich müsste das normal sein“, sagt Nicole Mattern gegenüber dem ZDF. „Wir lieben die Opfergeschichten - und beschäftigen uns nicht mit den eigenen.“ Maria selbst weiß: Hätte sie ihren 1946 hingerichteten Urgroßvater persönlich kennengelernt, könnte sie „nicht so sachlich Kritik üben“. Dennoch halte sie es für wichtig, sich mit dem Verhältnis der eigenen Vorfahren zum Nationalsozialismus auseinanderzusetzen: „Nur, wenn wir uns alle unsere Vergangenheit angucken, können wir aufarbeiten, was passiert ist.“ Erst dann könne man sich „dafür einsetzen, dass das nicht mehr passiert“.
Nazi-Vergangenheit Familie Geschichte KZ Neuengamme Rapportführer Holocaust Opfer Täter Lehrerin Dokumentarfilm ZDF
Deutschland Neuesten Nachrichten, Deutschland Schlagzeilen
Similar News:Sie können auch ähnliche Nachrichten wie diese lesen, die wir aus anderen Nachrichtenquellen gesammelt haben.
Trotz Nazi-Vergangenheit: Großvater von AfD-Chefin Weidel war Anwalt in GüterslohHans Weidel ist der Großvater von AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel. Er lebte 18 Jahre seines Lebens in Verl, seine Enkelin will ihn jedoch kaum gekannt haben.
Weiterlesen »
Der Nazi in meiner FamilieMaria und Katharina entdecken die dunkle NS-Vergangenheit ihrer Vorfahren. Beide brechen das Schweigen der Familie und suchen Antworten, um die Geschichte aufzuarbeiten.
Weiterlesen »
Kelheimerin auf Zeitreise: Helga Maria Goisl blickt mit Hilfe alter Zeitungen in Bayerns VergangenheitDeutschlands Top-Konzerne: Weniger Umsatz, gestrichene Jobs
Weiterlesen »
Pietro Lombardi und Laura Maria Rypa klären Streit aus der VergangenheitDas Paar erreichte nach einem heftigen Streit im Herbst 2022 Schlagzeilen. Nun räumt Laura Maria Rypa die Details des Vorfalls auf und Pietro Lombardi entschuldigt sich für seine Rolle im Streit.
Weiterlesen »
Guardiolas Tochter Maria: Emotionales Interview über Liebe & FamilieMaria Guardiola, Tochter von Trainer Pep Guardiola, erzählt in einem Interview über die Ratschläge ihrer Eltern und die Rolle des Fußballs in ihrer Familie.
Weiterlesen »
Anna-Maria Ferchichis Silvester mit Familie gestrichenSilvesterablauf der Ferchichis durch Krankheiten beeinträchtigt. Anna-Maria feiert mit der Familie, Anis bleibt mit seinem Vater zu Hause. Weihnachtsfest mit 28-Kilo-Truthahn und striktem Ablauf geplant.
Weiterlesen »