Nach den letzten Wahlen in Belarus könnte sich eine neue Gelegenheit im Umgang mit dem Regime von Lukaschenko eröffnen. Der Artikel analysiert die aktuelle Lage und fordert eine klugere und pragmatischere deutsche Belaruspolitik.
Eine deutsche Belarus politik? Praktisch inexistent. Doch nach den Wahlen könnte sich ein Fenster im Umgang mit Lukaschenko öffnen. Ein Kommentar.Nie so offen wie im August 2020. In der jungen Geschichte des osteuropäischen Landes waren die Belarus sen vor über vier Jahren kurz davor, die Lukaschenko -Epoche zu beenden – und das im Kontrast zu anderen Revolutionen in der Region ausnahmslos auf friedlichem Wege.
Die Tage des „letzten Diktators in Europa“, wie vor allem die Amerikaner Anfang der 2000er Jahre gerne sagten, schienen gezählt. Seit Juli 1994 der starke Mann in dem Land, dessen Grenzen nur eine Flugstunde von Berlin entfernt sind, sitzt fester denn je in seinem Sattel im pompösen Minsker Präsidentenpalast. Die Machtstrukturen innerhalb des Staatsapparats konsolidierte er. Wer konnte, floh nach Litauen oder Polen. Wer das nicht schaffte, sitzt im Gefängnis – in keinem angenehmen. All these cases have political grounds. ‘ Meanwhile, there are more than 4600 claims of torture in Belarus - 0 cases initiated on this ground. Auch wenn es zuletzt zu Amnestiewellen kam, sind doch über 1200 Menschen aufgrund politischer Vergehen in Haft. Vergleicht man die Zahl mit den neun Millionen Einwohnern in Belarus, wird der autoritäre Charakter des Landes nochmal deutlicher als etwa in Russland, dem Iran oder Venezuela. Der KGB (so heißt der dortige Geheimdienst noch heute) ist mächtiger denn je. Galionsfiguren der demokratischen Opposition wie Swetlana Tichanowskaja spielen im aktuellen Diskurs keine Rolle mehr. Für die Präsidentschaftswahlen am Sonntag hat sie ihren Unterstützern als letzte Protestform empfohlen, „gegen alle“ abzustimmen. Im Übrigen heißt es für die belarussische Demokratiebewegung: erst einmal warten. Warten auf ein nächstes Zeitfenster, ein künftiges „Window of Opportunity“. Die Hände gebunden sind, sollten die nächste Bundesregierung und ihre westlichen Partner ihre derzeit nichtexistente Belaruspolitik überdenken. Nach drei gescheiterten, „wertegeleiteten“ Jahren bedarf es eines Ansatzes, der auf Klugheit und Interessen fußt. Zudem stünde es der deutschen Außenpolitik gut zu Gesicht, auch einmal kurzfristig zu handeln, statt immer nur langfristig zu denken. Sind praktisch inexistent. Das zeigt sich symbolisch in der Minsker deutschen Botschaft. Derzeit gibt es nämlich überhaupt keinen deutschen Botschafter in der elftgrößten Stadt Europas (fast zwei Millionen Einwohner). Ranghöchste Repräsentantin der Bundesrepublik ist Andrea Wiktorin – als Geschäftsträgerin. Bei vielen EU-Mitgliedern sieht es ähnlich aus. Das Problem haben sich die Europäer selbst eingebrockt. Botschafter überreichen zu Beginn ihrer Dienstzeit dem Staatsoberhaupt des Gastlands ein Beglaubigungsschreiben – ein international übliches Prozedere. Aus belarussischer Sicht ist das Staatsoberhaupt natürlich Alexander Lukaschenko. Die jedoch hat Lukaschenko nach den Wahlen 2020 als Präsident nicht anerkannt. Ein Ausweg aus der diplomatischen kniffligen Lage ist nicht in Sicht. Die EU könnte auch ihre Sanktionspolitik gegenüber Belarus überdenken. Das muss nicht heißen, die über ein Dutzend Sanktionspakete – insgesamt betroffen sind über 287 Individuen und 39 Organisationen – von heute auf morgen über Bord zu werfen. Es würde aber guttun, die Sanktionspolitik zumindest auf den Prüfstand zu stellen. Obendrein wäre ein Selbstreflexionskurs angeraten. Lukaschenko und seine Entourage haben nämlich über die vergangenen vier Jahre hinweg immer wieder neue Schlupflöcher gefunden. Mit Blick darauf wirkt der vermeintlich starre und verkrustete Minsker Sowjet-Apparat flexibler und kreativer als die moderne, progressive EU. Der russische Markt habe die belarussische Wirtschaft nicht nur stabilisiert, sie wachse sogar, schreibt Christopher Forst, Repräsentant der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung für Belarus. Angesichts der von Lukaschenko verursachten Schockmomente – von der Gewalt gegen Demonstranten über die Ryanair-Entführung bis zur Migrationskrise an den EU-Außengrenzen – scheint die Sanktionspolitik kaum Wirkung auf die politische Führung zu entfalten. „Das Argument, dass die Sanktionen das Regime erst recht in die Arme Moskaus getrieben hätten, ist faktisch nicht falsch“, so Forst. Doch die von Lukaschenko verursachte Krise darf man, auch mit Blick auf Konflikte in Syrien und dem Mittelmeer, nicht vergessen. Seit vier Jahren werden Migranten aus Nahost und Afrika mithilfe belarussischer Behörden an die polnische und litauische Grenze gebracht. Lukaschenko will vor allem die Polen und Litauer für ihre Unterstützung der Nachwahl-Proteste 2020 bestrafen. Außerdem sorgt die Migration für Streit und Spaltung innerhalb der EU. Auch das Land Brandenburg bekommt es zu spüren, wenn Lukaschenkos Praxis wieder zunimmt – die Anzahl der Migranten, die in Deutschland über die sogenannte „Border Crossing“ kommen, steigt besonders während der Sommermonate. In den europäischen Hauptstädten sollte man daher überlegen, wie mit Lukaschenko kreativer umgegangen werden kann
Belarus Lukaschenko Deutsche Außenpolitik Sanktionen Demokratiebewegung Migration
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