In den Gefängnissen Nordrhein-Westfalens kommt es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf Mitarbeiter. Das NRW-Justizministerium erfasst jährlich hunderte Fälle, dabei werden jedoch Beleidigungen und Bedrohungen nicht gezählt. Gewerkschafter und JVA-Mitarbeiter berichten von extremen Situationen und einer allgemein aggressiveren Stimmung in den Gefängnissen. Experten sehen einen Zusammenhang mit der steigenden Zahl psychisch auffälliger Gefangener im Regelvollzug.
In Nordrhein-Westfalen kommt es in den Gefängnisse n immer wieder zu gewalttätigen Übergriffe n von Gefangenen auf Justizvollzugsanstalt (JVA)-Mitarbeiter. Das Justizministerium erfasst jährlich eine dreistellige Zahl solcher Vorfälle. Beleidigungen und Bedrohungen werden in dieser Statistik jedoch nicht erfasst. Ein Mitarbeiter aus OWL und ein Gewerkschafter berichten von extremen Situationen.
Bis zum Jahr 2022 wurden im NRW-Justizministerium Fälle erfasst, wenn „ein zielgerichteter und unvermittelter Angriff auf Leib oder Leben mit erheblichen Verletzungsfolgen“ vorliegt. Jährlich lag die Zahl solcher Angriffe gegen JVA-Mitarbeiter im einstelligen Bereich. Seit 2022 erfasst das Ministerium auch alle weiteren Gewaltdelikte. 2022 waren es 117 Übergriffe, ein Jahr später 119. Für das vergangene Jahr liegen die Zahlen bisher nur für das erste Halbjahr vor, demnach gab es bis Juni bereits 68 Übergriffe. Dabei dürfte das jedoch nur die Spitze des Eisberges sein. Denn Fälle von Bedrohungen und Beleidigungen gegen die Bediensteten werden nicht statistisch erfasst, berichtet ein Sprecher des NRW-Justizministeriums. Generell, auch in OWL, scheinen Übergriffe, Bedrohungen und Beleidigungen gegen JVA-Bedienstete vor allem ein Problem im geschlossenen Vollzug. Ein JVA-Mitarbeiter aus OWL, der anonym bleiben will, berichtet dieser Redaktion: „Wir sind täglich Beleidigungen und Bedrohungen ausgesetzt und müssen damit leben.“ Dagegen vorgegangen werde nur in seltenen Fällen, generell hätten solche Ereignisse in den vergangenen Jahren stetig zugenommen, es sei insgesamt schlimmer geworden. „Während außerhalb der Gefängnismauern verhältnismäßig harmlose Beleidigungen gegen Politiker verfolgt werden, müssen Mitarbeiter in den JVAs extremste Beleidigungen oder massive Drohungen, selbst gegen die Familie, ertragen.“ Eine Entwicklung, die offenbar nicht nur in OWL auftritt. Rene Müller, Vorsitzender beim Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD), bemerkt solche Tendenzen bundesweit. „Mindestens ein Mal am Tag wird ein Bediensteter angegriffen, beleidigt oder bedroht“, sagt er. Dafür gebe es verschiedene Erklärungen. Zum einen sei generell eine aggressivere Stimmung in den Gefängnissen zu beobachten. „Diese Entwicklung sehen wir aber auch in allen Teilen der Gesellschaft“, sagt Müller weiter. Ein anderer Faktor, der für diese Entwicklung gesorgt habe, sei der Umstand, dass mittlerweile viele psychisch auffällige Personen im normalen Regelvollzug inhaftiert seien, statt im Maßregelvollzug, der extra für psychisch kranke Straftäter ausgelegt ist. „Dort fehlen schlicht und einfach die Plätze“, sagt Müller. Das Risiko für Angriffe oder Bedrohungen durch solche Inhaftierte sei höher, etwa wenn die Personen eine psychische Stresssituation durchlebten. Laut NRW-Justizministerium seien die Anstaltsleitungen angehalten, „bei sämtlichen nicht unerheblichen Straftaten gegenüber Bediensteten Strafanzeigen zu erstatten“. Welche Taten dabei genau gemeint sind, bleibt offen. BSBD-Vorsitzender Müller stellt jedoch generell fest, dass es bei Beleidigungen oder Bedrohungen gegen JVA-Bedienstete durchaus Hemmungen gebe, diese zur Anzeige zu bringen. „So etwas schüchtert natürlich ein“, sagt er. So seien in Berlin oder Hamburg bereits Autos von Gefängnisbediensteten angezündet worden. „Zudem kommt es auch immer wieder vor, dass die Mitarbeiter auf der Straße, beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit angesprochen werden“, führt Müller weiter aus. Generell würden Bedrohungen oder Beleidigungen zu lasch oder gar nicht sanktioniert. Um die Situation innerhalb der Gefängnisse zu verbessern, sieht Müller vor allem die Einstellung von mehr Personal als wichtigen Schritt. „Viele Stellen sind unbesetzt, es gibt Personalmangel“, sagt er. Außerdem sei es in dem Job oft von Vorteil, gemeinsam aufzutreten. „Eine Bedrohung gegen einen einzelnen JVA-Mitarbeiter ist schnell ausgesprochen. Ist ein weiterer Kollege in der Situation dabei, dann ist das ganz anders.“ Doch durch den personellen Engpass sei das aktuell in vielen Gefängnissen kaum zu gewährleisten
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