Was passiert mit der Liebe, wenn einen der Geliebte nicht mehr erkennt? Helga Schuberts zärtliches, hartes Buch über die Pflege ihres Mannes.
"In genau diesem Moment bleiben" wird einem in jeder Yogastunde geraten, es ist modernes Achtsamkeitsblabla für all diejenigen, die versuchen, den Rush-Hour-Alltag zu überstehen. Für die Erzählerin in Helga Schuberts neuem Buch"Der heutige Tag" ist es Lebensmotto. Die 83-jährige Erzählerin pflegt ihren 96-jährigen, schwer dementen Ehemann und freut sich an jeder gemeinsamen Sekunde.
Niemand will krank und pflegebedürftig werden, am Ende des Lebens"dahinsiechen", wie es oft heißt, ein Wort, das man in Schuberts Buch nicht finden wird. Und doch kommt es für die allermeisten Menschen am Lebensende genau so. Sich damit auseinanderzusetzen ist daher nicht die dümmste Idee und die Lektüre von"Der heutige Tag" nicht der dümmste Start.
Bei genauerem Hinspüren ist es ein hartes Buch, das einem zwischen den weichen, liebevollen, poetischen Sätzen Kinnhaken versetzt. Jede Seite erinnert daran: Auch du wirst nicht einfach tot umfallen, höchstwahrscheinlich. Auch du wirst in deinen letzten Lebensjahren gewickelt werden müssen und niemanden mehr erkennen, du wirst halluzinieren und sabbern, hilflos sein, verwirrt.
Schubert beantwortet diese Fragen auch mit vielen Rückblenden auf ihr gemeinsames Leben, das Kennenlernen am Lehrstuhl für Psychologie, das gemeinsame Leben in der DDR, die sie schon damals ihm zuliebe, der Liebe zuliebe, nicht verließ. Heute lässt sie sich wieder ein auf seine Welt, die nicht die ihre ist, lässt sich verwechseln und feiert Weihnachten im Februar, weil er eben glaubt, es sei der 24. Dezember, und andernfalls traurig wäre.
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