'Russland kann diesen Krieg lange fortsetzen.' Mit der DW spricht der britische Historiker Mark Galeotti über Fehlannahmen beider Kriegsparteien, den Zustand ihrer Armeen und wie es weitergehen könnte.
DW: Präsident Wladimir Putin hat Russland in vier Kriege geführt: In Tschetschenien, Georgien, Syrien und schließlich in der Ukraine. Warum konnte der Westen von der russischen Invasion überrascht werden?
Bis zu der im Fernsehen übertragenen Sitzung des Sicherheitsrates in der Woche vor der Invasion habe ich die Wahrscheinlichkeit auf nur bei 30 bis 40 Prozent geschätzt - gerade, weil der Einmarsch keinen Sinn zu ergeben schien. All diese grundlegenden Fehlannahmen haben Russland zu diesem Krieg verleitet. Und sie zeichnen ein klares Bild davon, in welchem Maße sich Putin ein System geschaffen hat, in dem es für die Menschen nachteilig ist, wenn sie ihm die Wahrheit sagen. Es zeigt sich das Maß, in dem seine Geheimdienstler, sein gesamtes Umfeld, ihm nicht sagte, was er hören musste, sondern nur, was er hören wollte.
Es hat sich eine Kultur herausgebildet, die den Präsidenten vor unbequemen Wahrheiten abschirmt. Die meiste Zeit über spielt das keine Rolle, weil er nicht wirklich über jedes einzelne Detail im Land bestimmt. Dafür hat er eine Menge Technokraten und Beamte, von denen einige äußerst effektiv sind.
Der Punkt ist doch, dass es den Russen nicht gelungen ist, Kiew einzunehmen. Es ist ihnen nicht gelungen, ihre Kontrolle über die Regionen Donezk und Lugansk wirklich auszuweiten. Sie haben den Krim-Korridor, aber der ist jetzt bedroht. Und natürlich mussten sie sich bereits aus Cherson zurückziehen.
Er kann enden. Es wird davon abhängen, dass die Ukrainer erhebliche Fortschritte auf dem Schlachtfeld erringen können. Im Moment gibt es keine echte Grundlage für Verhandlungen, weil sich die Ukrainer im Vorteil sehen. Sie möchten, wenn überhaupt, aus einer Position der Stärke heraus verhandeln.
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