Die aus Jerusalem stammende Theatermacherin Sivan Ben Yishai analysiert die Folgen des Kriegs in Nahost für die deutsche Gesellschaft. Und kritisiert eine »beispiellose Einschränkung« der Protest- und Meinungsfreiheit.
Fast täglich werde ich gefragt, wie sich mein Leben seit dem 7. Oktober verändert hat, wie es mir geht. Manchmal antworte ich ehrlich. Manchmal versuche ich, mit den Vermutungen zu spielen, die mit der Frage einhergehen. Wie soll ich es beschreiben? Nichts hat sich geändert. Und doch ist alles anders.
In letzter Zeit habe ich oft an meine Ankunft in Deutschland vor zwölf Jahren zurückgedacht. Mir fiel eines meiner ersten Gespräche mit einem lokalen Aktivisten in Berlin ein, ein Gespräch, das er mit einem Hinweis abschloss: »Hüte dich vor falschem Beifall, wenn duin Deutschland kritisierst.« Was er damit meinte: Israelische Juden:Jüdinnen mögen denken, dass sie in Deutschland einen kritischen Diskurs führen.
Ein paar Tage vor dem 7. Oktober erschien in der Zeitung »Die Welt« ein Artikel von Henryk M. Broder mit dem Titel »Israel gibt es nur als Unterkategorie von Palästina«. In dem wurde gefragt, ob ich mit der Formulierung »Israel/ Palästina« womöglich für den Tag vorsorgen wollte, »da nicht nur Orangen aus Israel auf einer Boykott-Liste stehen«, sondern auch Autor:innen.
Eine Woche nach der Veröffentlichung des Artikels ereignete sich das Massaker vom 7. Oktober. Die Formulierung »Israel/Palästina« wurde auf den meisten Internetseiten der Institutionen, mit denen ich zusammenarbeite, aus meinem Lebenslauf gelöscht. Ich weigerte mich, die alten Formulierungen »Tel Aviv« oder »Jerusalem« zu verwenden. Das Ergebnis ist, dass ich jetzt einfach »Sivan Ben Yishai, geboren 1978« bin.
»Chance« bedeutet für mich, gerade jetzt auch für jemand anderen zu sprechen. Ein Diskurs sollte von Menschen geführt werden, die füreinander streiten, nicht nur miteinander. Das Problem ist, dass Solidarität – ähnlich wie Empathie – nichts ist, das man einfordern könnte oder sollte. Solidarität und Empathie sind Dinge, die man zuallererst gibt.
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