Die brasilianische Künstlerin Renata Lucas bringt uns an zwei Berliner Orten mit Billardkugeln dazu, dass wir lieber spielend staunen, statt gewinnen zu wollen.
Die brasilianische Künstlerin Renata Lucas bringt uns an zwei Berliner Orten mit Billardkugeln dazu, dass wir lieber spielend staunen, statt gewinnen zu wollen.Ein mit grünem Samt ausgeschlagener Billardtisch voller bunter Kugeln mit Nummern faszinierte mich, als ich ein kleines Mädchen war. Jeden Freitagabend zog mein Großvater seinen Schulhausmeisterkittel aus und ging in die Kneipe nebenan, um im Hinterzimmer zu spielen. Und wir Kinder durften zusehen.
Spannender noch, als die nach dem Anstoß nach einem rätselhaften Plan auseinander rollenden, sich mit klickendem Klang berührenden und dann in den „Taschen“ verschwindenden Kugeln, war für mich dieses Ritual: Die Spieler stäubten vor jedem Stoß mit eleganter Geste blaue Kreide auf die „Pomeranze“, wie die vorderen Zentimeter des Queues, also des Billardstabs, heißen.
Der Galeriehof Linienstraße und die durch eine surreale Kraft aufs Pflaster gerollten Billardkugeln. Und einige „rollten“ sogar bis zum Neuen Berliner Kunstverein in der Chausseestraße.In der Ausstellungshalle der Galerie Neugerriemschneider habe ich wieder das Gefühl von damals. Die Brasilianerin Renata Lucas hat einen Billardtisch aufgebaut. Besucher mit Spiellust kreiden die „Pomeranze“ ein, stoßen die Kugeln geschickt oder tollpatschig über das Feld.
Dieser Verstoß gegen die Spielregel macht ein Stück von Mitte zum Spielfeld. Und ganz nebenbei erinnert uns die Künstlerin aus São Paulo daran, dass Verwunderung, Irritation und vielleicht auch kindliches Staunen schöner sind, als das Streben nach dem Sieg. „O perde“ heißt diese seltsame, unverbissene, fast meditative Installation an zwei Orten zugleich.
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