Die deutsch-russischen Beziehungen hatten sich einst verbessert. Heute liegen sie in Scherben. Warum Botschafter Netschajew dennoch optimistisch ist.
▶ Herr Botschafter, zunächst herzlichen Dank, dass wir hier bei Ihnen sein dürfen im Gebäude der russischen Botschaft in Berlin unter den Linden. Sie haben Ihre diplomatische Laufbahn in Berlin begonnen, Deutschland war in Ihrer gesamten langen Berufszeit immer wieder das zentrale Thema. Sie sind studierter Germanist, sprechen hervorragend Deutsch, kennen sich gut aus mit deutscher Geschichte und Kultur.
Da war der Petersburger Dialog, der Anfang der Nulljahre von unserem Präsidenten Putin und Bundeskanzler Schröder ins Leben gerufen wurde. Der war sehr breit verzweigt, es gab mehr als zwölf Verhandlungstische. Die Leute aus den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens konnten alles besprechen, was einem einfällt. Alles Mögliche, sogar umstrittene Themen.▶ Gestatten Sie, dass ich da mal kurz einhake. Die Bilanz kann sich sehen lassen, aber das ist lange her.
Und plötzlich, aus politischen Gründen, gehen sie weg. Bei weitem nicht alle – 70 Prozent wollen bleiben und funktionieren. Niemand weist sie aus. Schauen Sie mal. Dasselbe betrifft die anderen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Wie gesagt, wir sind dafür, ganz zu schweigen von einem kulturellen Austausch.
Und wer mit uns zusammenarbeiten will, dem sagen wir herzlich willkommen. Dabei spielt die Größe des Landes keine Rolle, es können große oder kleine Länder sein. Es geht darum, dass wir alle zusammenarbeiten. Und wer mit uns zusammenarbeiten will, dem sagen wir herzlich willkommen. Das ist für uns egal. Wir machen das auf einer gegenseitig respektvollen Grundlage zum beiderseitigen Nutzen.
Das wurde im Beisein von einigen bekannten europäischen Außenministern abgesegnet. Aber die Tinte war noch feucht, als in Kiew ein verfassungswidriger und gewaltsamer Staatsstreich begann. Und das wollten die Leute in verschiedenen Teilen der Ukraine nicht akzeptieren. Weder auf der Krim noch im Osten der Ukraine, wo hauptsächlich die russischsprachige Bevölkerung lebte.
Das war besonders enttäuschend. So viel zu den Minsker Vereinbarungen. Dann haben wir gesehen, wie Sie absolut richtig gesagt haben, dass die Nato immer näher an unsere Grenzen kommt. Und nicht nur die Nato, die sich selbst als Verteidigungsbündnis bezeichnet und so auch in den Massenmedien und von den Politikern genannt wird.
Die Sicherheit muss für alle gleich und ungeteilt bleiben. Das war eigentlich von allen anerkannt. Auf dieser Grundlage haben wir im Dezember 2021, also noch vor dem Beginn der Sonderoperation in der Ukraine, den Vereinigten Staaten, der Nato und der OSZE den Entwurf einer Friedensregelung vorgelegt, damit wir auf dieser Grundlage verhandeln könnten und eine friedliche, ich betone friedliche Lösung finden. Das wurde abgelehnt.
▶ Jetzt sieht es so aus, zumindest ist das mein Eindruck, dass doch diplomatische Bewegung in die Sache kommt. Der Bundeskanzler hat vor Kurzem den russischen Präsidenten angerufen. Das erste Mal nach zwei Jahren haben die wieder persönlich miteinander gesprochen. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, wie man einen Waffenstillstand organisieren könnte, auch erste Schritte, die danach folgen könnten. Manche gehen auch schon weiter in diesen Gedankenspielen.
Auch Selenskyj gebraucht jetzt Formulierungen, die vor Kurzem nicht denkbar waren. Er sagt zum Beispiel, die Ukraine könne die von Russland besetzten oder der Russischen Föderation angeschlossenen Gebiete zeitweise nur als rechtlich gesehen ukrainisch, aber zeitweilig von Russland kontrolliert betrachten.
Das ist natürlich inakzeptabel, auch vom völkerrechtlichen Standpunkt aus, der UNO-Charta, ist das inakzeptabel. Es gibt eine Liste von diesem Katalog, und auf dieser Grundlage können wir verhandeln. ▶ Seit ein paar Tagen wird in Deutschland darüber diskutiert, und zwar auf hoher politischer Ebene, ob im Fall eines Waffenstillstands und damit verbundener Sicherheitsgarantien in der Ukraine vielleicht Soldaten zum Einsatz kommen könnten, um die Dinge neutral zu sichern, und ob dabei auch Deutschland eine Rolle spielen könnte.
Deswegen müssen die heißen Köpfe im Westen verstehen, dass wir eine Antwort haben, und das muss man auch als eine Warnung verstehen. Nur als eine Warnung. Wir wollen keinen – um Gottes Willen – um einen nuklearen Krieg geht es überhaupt nicht. Aber einige heiße Köpfe im Westen sprechen über einen möglicherweise begrenzten nuklearen Schlagabtausch.
▶ Sie haben Atomwaffen erwähnt, und Sie haben gesagt, im Westen gebe es Gedankenspiele, dass man das durchaus in Betracht ziehen könnte, dass auch Atomwaffen zum Einsatz kommen. Aber das wird auch auf russischer Seite durchgespielt. Nur als eine Antwort auf die existenziellen Drohungen, wo unsere Existenz auf dem Spiel steht. Sonst haben wir immer gesagt, wir sind gegen einen nuklearen Krieg. Wir haben, wenn ich mich nicht irre war das im Januar 2022, da haben wir im Sicherheitsrat eine entsprechende Erklärung der Nuklearmächte initiiert, wo wir einen nuklearen Krieg für ausgeschlossen halten.
▶ Wir haben unser Gespräch begonnen mit dem Rückblick auf die einstmals sehr guten, sehr intensiven deutsch-russischen Beziehungen. Wenn wir jetzt auf eine mögliche Friedenssituation schauen, auf Verhandlungen, auf das, was danach kommt, vielleicht ein neues europäisches Sicherheitssystem.
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