In seiner letzten Bundestagsdebatte vollzog Olaf Scholz einen Rollentausch: Vom Kanzler zum Oppositionsführer. Doch kann er die Bürger mit seiner aggressiven Rhetorik überzeugen? Der Text analysiert Scholzens Wahlkampfstrategie, seine Kritik an Merz und die Frage, ob er die Wähler durch seinen Klassenkampf-Ansatz gewinnen kann.
In seiner wohl letzten Bundestagsdebatte vollzog der Bundeskanzler einen originellen Rollentausch. Nach dieser miesen Regierungsbilanz: Werden ihm die Wähler den neuen Olaf Scholz abnehmen? konnte man dem Bundeskanzler zuschauen, wie er die vorerst letzte Stufe seiner beruflichen Identitätsmutation erreichte: vom Staatslenker zum Oppositionsführer.Die offene Frage ist, ob die Bürger Scholzens Verwandlung mitvollziehen.
Erwartet man nicht von einem Bundeskanzler auch einen bundeskanzlerhaften öffentlichen Auftritt? Ein Partei-Generalsekretär darf im Wahlkampf den Straßenschläger geben, ein Parteichef muss schon vorsichtiger dabei sein, um seine Autorität nicht zu beschädigen – aber ein Bundeskanzler?Friedrich Merz wähnte sich in einen Bundeskongress der Jungsozialisten hineingebeamt, es war eine durchaus treffende Assoziation. Das werden wir jetzt noch die nächsten Tage hören – dass Merz die „Superreichen“ entlasten will und die Pflegekraft von den Steuerentlastungen des Unionsmannes nichts hat. Das Scholzsche Führungsmotto aus Urzeiten, aktualisiert in diesen Wahlkampfhochzeiten: Wer bei mir Klassenkampf bestellt, der kriegt ihn auch. Scholz ist nicht der erste Bundeskanzler in Nöten, der sich auf die klassenkämpferischen, also sozialistischen Wurzeln der sozialdemokratischen Partei beruft.Dienstag, 04.02.2025 | 14:17 Gerhard Schröder nutzte in seinem letzten Kampf um die Kanzlermacht gegen Angela Merkel deren „Professor aus Heidelberg“, diese „merkwürdige Gestalt“, den „Mann der Kälte“, um seine Fans aufzuputschen gegen eine angeblich neoliberale Machtaneignung. Schon damals funktionierte es nicht. 2005 wählten die Bürger Merkel, weil sie überzeugt waren, der SPD-Kanzler habe, gemeinsam mit den Grünen, die einst erfolgreiche deutsche Wirtschaft zu Schaden geritten. Genau dies ist heute wieder so, ausweislich aller Umfragen.äußerte, ist mehrfach unseriös. Scholz verspricht Steuersenkungen für 95 Prozent, die er mit Steuererhöhungen für die Bestverdiener bezahlen will. Dazu müsste er die Spitzensteuer auf 60 Prozent erhöhen, rechnete Merz ihm vor. Die Rechnung stimmt.Und sie verstößt gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Halbteilung – selbst Millionäre dürfen nicht mit mehr als 50 Prozent Steuern belastet werden. Das ist das eine. Das andere: Die oberen paar Prozent der Einkommensbezieher finanzieren den Sozialstaat: Spitzenverdiener, die obersten zehn Prozent, tragen die Hälfte der Einkommensteuerlast.Scholz verschwieg das, sonst würde auch sein Klassenkampf nicht funktionieren. Dabei: Wenn jemand genau weiß, wie sich das Steueraufkommen in Deutschland zusammensetzt, dann ein gewesener deutscher Bundesfinanzminister. Der letzte Sozialdemokrat, der diese Verteilungswirkung offen zugab, war übrigens Franz Müntefering – als ausgewiesener Sozialpolitiker, der genau wusste, woher und von wem das Geld für den Sozialstaat stammt.Es liegt im Wesen der Steuerprogression, dass wer mehr verdient, auch überproportional mehr an den Staat abdrückt. Die andere Seite dieser Medaille ist, dass wer mehr verdient, auch überproportional entlastet wird, wenn die Steuern gesenkt werden. Christian Lindner, der Ex-Nachfolger auf dem Finanzministersessel von Scholz, wurde von diesem zu einem ansehnlichen Ulk inspiriert. Scholz werde nach Willy Brandt der zweite Sozialdemokrat sein, der mit einem Nobelpreis ausgezeichnet werde, diesmal für Physik, und zwar: für die Entdeckung eines Paralleluniversums. Like it, Dieter Nuhr?Scholz in seiner Rolle als aggressiver Angreifer, der Kanzler vollzieht einen Rollentausch mit Risiken. Im Grunde unterstellt er, Friedrich Merz sei schon so gut wie Bundeskanzler. Wird Merz es, was wahrscheinlich ist, aber auch nicht sicher, verlässt Scholz die politische Bühne. Gerade kämpft er seinen – mutmaßlich – letzten Kampf.Olaf Scholz hat die Deutschen südlich der Mainlinie um eine plattdeutsche Vokabel bereichert. „Fritze Merz“ erzähle gern „Tünkram“. Robert Habeck mag sich inspiriert gefühlt haben. Der grüne Kanzlerkandidat warnt davor, der deutschen Autoindustrie „Pummeligkeit“ und „Dösigkeit“ zu unterstellen, als könne die es nicht fertigbringen, binnen zehn Jahren ein international konkurrenzfähiges Elektrofahrzeug zu entwickeln., wie er von der Bundestagspräsidentin aufgerufen wurde – wurde auch mal außenpolitisch, was sich sogleich ganz anders anhörte als bei der Partei-Freundin, die „vom Völkerrecht“ kommt. Union und FDP wollen weg vom Klimaschutzziel 2035, Habeck kommentierte es ungewohnt burschikos und unphilosophisch: „In Indien werden sie sagen – was seid ihr denn für Pfeifen, ihr habt eure eigenen Ziel abgewählt“.Eine Bemerkung, die im Übrigen deutlich macht, wie die Grünen die deutsche Rolle beim Klimaschutz global einordnen: Wenn Deutschland den Klimaschutz abwähle, dann werde Europa beim Klimaschutz „umfallen“ – und danach sei es dann „mit dem Klimaschutz vorbei“
Olaf Scholz Friedrich Merz Bundestagsdebatte Wahlkampf Klassenkampf Steuerpolitik Klimaschutz
Deutschland Neuesten Nachrichten, Deutschland Schlagzeilen
Similar News:Sie können auch ähnliche Nachrichten wie diese lesen, die wir aus anderen Nachrichtenquellen gesammelt haben.
Dilemma der SPD: Scholz der Bewahrer – oder Scholz der Verweigerer?Möchten Sie wirklich alle Artikel aus Ihrer Merkliste löschen? Diese Aktion kann nicht rückgängig gemacht werden.
Weiterlesen »
Scholz-Merz TV-Duel: Scholz Überzeugt Mehr ZuschauerIm ersten TV-Duell zwischen Kanzler Scholz und CDU-Chef Merz überzeugten sich laut Umfrage 37 Prozent der Zuschauer von Scholz gegenüber Merz mit 34 Prozent. Scholz kam als glaubwürdiger und sympathischer rüber, während Merz bei Männern und älteren Altersgruppen besser abschnitt.
Weiterlesen »
Wahltalk bei 'Hart aber fair': Linke will keine Milliardäre, Bär keinen 'Klassenkampf'Das Studio von 'Hart aber fair' wird zur Wahlarena. Diesmal dürfen aber nicht die Kanzlerkandidaten für sich trommeln, sondern die Vertreter der kleineren Parteien. Insbesondere zwischen dem Linken-Chef van Aken und BSW-Chefin Wagenknecht fliegen die Fetzen.
Weiterlesen »
Merz attackiert Scholz in BundestagsdebatteFriedrich Merz kritisiert Olaf Scholz' Rede als 25-minütige, abgelesene Empörung über seine Person als Oppositionsführer. Merz vergleicht Scholz und Habeck mit zwei Geschäftsleuten, die das Unternehmen an die Wand gefahren haben und weitermachen wollen. Alice Weidel sucht Hilfe bei Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die jedoch nicht eingreift. Merz widerspricht Scholz' Vorwurf, sich mit AfD-Stimmen zum Kanzler wählen lassen zu wollen. Robert Habeck nimmt Stellung zu Vorwürfen gegen seine Doktorarbeit und sieht die Schlussfolgerungen als entkräftet an.
Weiterlesen »
Pro-europäische Proteste: Zwei georgische Oppositionsführer bei Straßenblockade festgenommenMöchten Sie wirklich alle Artikel aus Ihrer Merkliste löschen? Diese Aktion kann nicht rückgängig gemacht werden.
Weiterlesen »
Erneut demonstrieren Tausende: Georgische Polizei nimmt zwei Oppositionsführer bei Protesten in Tbilissi festWieder protestieren in der georgischen Hauptstadt Tbilissi Tausende gegen den Kurs der Regierung. Dabei werden zwei prominente Politiker festgenommen.
Weiterlesen »