Was ich noch zu sagen hätte: Tiktok verlängert seine Videos. Aber lag nicht gerade in der Kürze der Reiz? MartinZips über den menschlichen Hang zum Ausufern
Konzentrieren, einsammeln, bewerten. Für Kinder und Jugendliche ist das noch eine Selbstverständlichkeit. Früher blätterten sie in Büchern oder Comics, besuchten vielleicht Theater- und Kinovorstellungen. Sie horteten Schallplatten und Musikkassetten, saßen stundenlang vor dem Fernseher und dem Radio. Heute senden und empfangen sie Posts, Streams, Chats, Reels oder eben Tiktoks - am liebsten pausenlos.
Trotzdem schafft es das Längere, sich durchzusetzen. Das war schon bei der SMS der Fall, die zur Long SMS wurde. Man konnte es auch auf Twitter beobachten, wo sehr viele in ihren XXXL-Threads plötzlich die Tinte nicht mehr halten wollten. Und letztlich hatte man es ja auch schon bei den vier Evangelisten gesehen. Einer hätte wahrscheinlich gereicht.
Natürlich braucht man's manchmal, den Director's Cut, das Epos Homer'scher Länge, die ausführliche Abhandlung. So kann sich der Geist noch mehr entfalten. Übrigens: Wer besonders umfangreiche Youtube- oder Tiktok-Videos macht, der bleibt auch länger auf der Plattform hängen und trägt zu höheren Werbeeinnahmen bei.Und doch ist es gerade die prägnante Kürze, die etwas auszeichnet.
"Die Kürze ist die Schwester des Talents", heißt es bei Tschechow, und so passt es, leider, auch, dass gerade der österreichische Bundesheer-Generalmajor Günter Hofbauer den russischen Einmarsch in die Ukraine als"ersten Tiktok-Krieg" bezeichnet hat. Auf Tiktok kursieren nämlich auch Videos, in denen in 39 Sekunden erklärt wird, wie man einen Panzer zu steuern hat.