Wir müssen neu über Toleranz nachdenken. Oder macht es Konservative liberaler, wenn man jeden schlechten Witz auf Kosten der queeren Community zum Skandal aufbauscht? Schreibt theadorn.
Vor einigen Jahren suchte ich im Internet nach einem Rezept für ein glutenfreies Dessert, um Rücksicht auf gewisse Empfindlichkeiten einer Freundin zu nehmen, die mich besuchen kam. Dabei stieß ich auf ein Rezept, das sich"Schokopudding für Intolerante" nannte.
Ich vermute, sämtliche Zeitgenossen, die sich für liberal und aufgeschlossen halten, würden nach wie vor den Gedanken weit von sich weisen,"intolerant" könnte für sie einen positiven Klang haben.
Nun lässt sich bezweifeln, dass es die offene Gesellschaft, wie Liberale sie sich erträumen, jemals wirklich gegeben hat. Vorsichtig formuliert, war es bis vor wenigen Jahrzehnten um die Toleranz gegenüber Frauen, Homosexuellen oder Schwarzen selbst in den offensten aller offenen Gesellschaften nicht sonderlich gut bestellt.
Die meisten westlichen Demokratien legen heute, ein Glück, ihre selbst formulierten Freiheitsmaßstäbe strenger an die Wirklichkeit an als jemals zuvor. Dass sie sich beim eigenen Verfassungswort nehmen, ist das Ergebnis langer, zäher und bisweilen äußerst verletzender Emanzipationskämpfe.
Kurz zur Erinnerung: Bis in die späten 1960er- beziehungsweise frühen 1970er-Jahre war Homosexualität beziehungsweise"Unzucht zwischen Männern" strafbar. Bis in die 1970er-Jahre konnte der Ehemann seiner Frau die Berufstätigkeit verbieten, wenn er den Eindruck hatte, sie vernachlässige deshalb Haushalt und Familie. Bis in die 1990er-Jahre konnte eine Ehefrau ihren Mann.