Je zersplitterter die Gesellschaft, je individualistischer die Lebensführung, desto stärker die Sehnsucht nach Gemeinschaft. Doch diese hat auch Schattenseiten.
Im Laufe ihres Lebens suchen Menschen das Gefühl der Zugehörigkeit und der Geborgenheit in unterschiedlichen Gemeinschaft en
Stefan Kühl ist Professor für Organisationssoziologie an der Universität Bielefeld. Zugleich berät er Unternehmen, Verwaltungen und Ministerien in Fragen der Organisations- und Strategieentwicklung. Zuletzt sind von ihm u.a. die Bücher „Der ganz formale Wahnsinn: 111 Einsichten in die Welt der Organisationen“ und „Ganz normale Organisationen – Zur Soziologie des Holocaust“ erschienen.
Einige diese Rollenkombinationen mögen begründungspflichtig sein. Die Mitgliedschaft in einer völkischen Partei ist heutzutage nicht ohne weiteres oder jedenfalls noch nicht mit einer prominenten, öffentlichen Unternehmensrolle vereinbar. Sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe sind in den meisten Fällen immer noch begründungspflichtig. Aber insgesamt fällt auf, wie frei der Mensch bei der Kombination seiner unterschiedlichen Rollen ist.
Schon in den ersten sozialwissenschaftlichen Ausarbeitungen des Gemeinschaftsbegriffs werden die Verheißungen einer warmen Gemeinschaft in der Gegenüberstellung mit den Konturen einer kalten Gesellschaft geschärft. Gesellschaft wird, so schon die kritische Betrachtung des Journalisten und Soziologen Siegfried Kracauer, „als anorganisches Getriebe entseelter Menschen“ in einer „durch Kapitalismus und Technik mechanisierten Welt“ gesehen.
Immerhin wäre es ja möglich, sich die Gesellschaft als eine Ansammlung von solch kleinen Gemeinschaften zu erträumen, damit die tiefen sozialen Bindungen in der Gesellschaft aufgehoben sind. Man stellt sich die Gesellschaft dann als eine Ansammlung unterschiedlicher Formen von Kleinfamilien, Freundesgruppen oder Liebesziehungen vor, in denen der Mensch seine Heimat finden kann.
Der Grund für die Anschlussfähigkeit an unterschiedliche politische und religiöse Diskurse war die Unbestimmtheit des Begriffs der Volksgemeinschaft. Die Bedeutung sowohl des Begriffs Volk als auch des der Gemeinschaft sind so nebulös, so flottierend, dass damit unterschiedlichste Vorstellungen assoziiert werden können und diese von Situation zu Situation, von Kontext zu Kontext unterschiedlich benutzt werden können.
Sehr früh war in dieser durch ethnischen und eugenischen Rassismus geprägten Ideologie der Volksgemeinschaft der Gedanke angelegt, dass Personen, die nicht den vorgegebenen Rassenkriterien entsprachen, eliminiert werden müssten.
Die Gefahr, als Verfechter einer Idee von Gemeinschaft mit der nationalsozialistischen Vorstellung der Volksgemeinschaft in Verbindung gebracht zu werden, war so groß, dass in der Nachkriegszeit der Gemeinschaftsbegriff nur zurückhaltend verwendet wurde. Für den modernen Menschen sei, so die Antwort Plessners, das Gesellschaftswesen mit seiner Kühle unverzichtbar. Distanz befreie vom Zwang, das Selbst freilegen zu müssen. Takt im Umgang miteinander diene dazu, dass der Mensch sich nicht dem Diktat der Authentizität ausgesetzt fühlen müsse. Er könne eine Maske aufsetzen, die das „reale Ich“ geschützt halte.
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