Der Artikel analysiert den Begriff „Remigration“, der zum „Unwort des Jahres“ 2023 gewählt wurde, und beleuchtet damit die Sprache rechtsextremer Gruppen. Es werden die semantische Verschleierung des Begriffs und die Verwendung in der politischen Rhetorik diskutiert. Der Artikel stellt den Zusammenhang zu anderen Unwörtern her und kritisiert die Rolle der „sprachkritischen Aktion“ in der öffentlichen Wahrnehmung rechtsextremer Vokabeln.
Ein Geheimtreffen von Rechtsextremisten in einem Hotel bei Potsdam, über das ein diskutierter Masterplan für größere Bekanntheit erlangt hat, sorgte in den vergangenen Tagen für großes Aufsehen.
Der Hashtag „Remigration“ trendte auf X, und es entspannten sich Diskussionen darüber, ob man der fremden- und ausländerfeindlichen Identitären Bewegung nicht unfreiwillig Hilfestellung leiste durch die fortwährende Zitation dieses von ihr in Umlauf gebrachten Wortes, das sich für sie mit „staatlich erzwungene Rückführung von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer“ übersetzt. Im wissenschaftlichen Kontext, im Rahmen der Migrationsforschung freilich hat der Begriff seit langem eine andersgeartete, nämlich neutrale Bedeutung: Hier versteht man darunter meist die freiwillige Rückkehr oder Rückwanderung ins Herkunftsland. Man hat es also bei diesem Terminus mit einem verschleiernden Ausdruck, einer politischen Kampfvokabel für die Abschiebung unerwünschter Zuwanderer zu tun.Das Wort „Remigration“ - der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke spricht auch von der Notwendigkeit einer „Verabschiedungskultur“ - reiht sich ein in die lange Liste in den vergangenen Jahren gekürter Unwörter zu diesem Themenfeld: „Pushback“ (2021), „Rückführungspatenschaften“ (2020), „Anti-Abschiebe-Industrie“ (2018), „Sozialtourismus“ (2013), „freiwillige Ausreise“ (2006), „Überfremdung“ (1993) sowie „Ausländerfrei“ (1991). Seit Beginn der „sprachkritischen Aktion“ „Unwort des Jahres“ 1991 wird die derart sich verbalisierende Xenophobie folglich benannt. Der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah verwendet in seinem 2023 erschienenen Manifest „Politik von rechts“ den Begriff „Remigration“. Ebenso wurde „Re-Re-Remigration“ 2023 von Mitgliedern der „Jungen Alternative“, der Jugendorganisation der AfD, in Erfurt bei einer Demonstration laut.So lange es die „sprachkritische Aktion“ gibt, wird sie auch kritisiert. Der Satiriker Max Goldt, 2022 ausgezeichnet mit dem „Jacob Grimm Preis Deutsche Sprache“, schuf zusammen mit dem Zeichner Stephan Katz, in dem es in karikierender Weise über die Unwort-Wahl heißt: „Im Lauf des Jahres sagt irgendein Politiker beim Pullern im Pissoir 'Menschenrechtsbrimborium', irgendeiner hört das mit, und dann wird 'Menschrechtsbrimborium' Unwort des Jahres.“ Bereits 2005 hatte Goldt in seinem Buch „Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens“ gespottet: „Unworte bereiten Untaten den Boden', mahnen Bundespräsidenten, und es ist richtig, dass sie mahnen, denn Bundespräsidenten müssen solche Sachen sagen, so wie Klavierspieler Klavier spielen müssen. Mir jedoch kann keiner weismachen, dass die Mörderregimes des 20. Jahrhunderts weniger effizient gewesen wären, wenn sie sich eines dezenteren Vokabulars bedient hätten.“ Weiter schrieb Goldt damals: „Es wäre doch besser, wenn man solche auf der Suche nach einem einprägsamen neuen Begriff entstandenen Spontanbildungen unter dem Mantel der Nichtzurkenntnisnahme vermodern ließe, statt sie via Siegerehrung in den nach Abwechslung gierenden Wortschatz nachplappernder Hobbybösewichte zu befördern.“ Zweifelsohne wird jedem Unwort durch seine Kür eine große Aufmerksamkeit zuteil. Man brandmarkt eben nicht nur einen Begriff, sondern betätigt sich nolens volens als dessen Zirkulationsagent. Die Mitglieder der Unwort-Jury ficht diese Kritik nicht an. Sie verstehen sich laut Selbstdefinition „als Vermittler:innen öffentlichen Unbehagens an bestimmten Sprachgebrauchsweisen“.
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