Verdachtsfall Rechtsextremismus: Wir veröffentlichen das 1.000-seitige Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD

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Die Alternative für Deutschland steht im Verdacht, rechtsextrem und verfassungsfeindlich zu sein. Der Verfassungsschutz beobachtet die Partei und hat ein ausführliches Gutachten erstellt. Wir veröffentlichen dieses Dokument in voller Länge.

In ganz Deutschland haben am Wochenende wieder hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus und ein Erstarken der AfD protestiert. 42 Prozent der Deutschen fordern ein Verbot der extrem rechten Partei. Letzte Woche hat der Bundestag debattiert, ob die AfD verboten werden soll.

Die entlastenden Belege widerlegen jedoch das Gesamtergebnis nicht. Einerseits sind manche Abgrenzungsmaßnahmen nur „strategisch-taktischer bzw. formal-rechtlicher Art ohne substantielle Aussagekraft“. Andererseits tritt „ein gewichtiger Teil“ der AfD „offen extremistisch auf oder ist zumindest an einer strategischen Zusammenarbeit oder Koexistenz mit ebenjenen extremistischen Teilen der Partei interessiert“.ausgewertet.

Jörg Meuthen war fast sieben Jahre lang Vorsitzender der AfD. Im Januar 2022 trat er aus der Partei aus und begründete das mit dem Rechtsruck innerhalb der AfD.: „Das Herz der Partei schlägt heute sehr weit rechts“, Teile der AfD stünden „nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, er sehe dort „ganz klar totalitäre Anklänge“.

sowie der Organisationseinheiten der AfD und ihrer Teilorganisationen wurden hinsichtlich des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung geprüft. Diese Belege wunden nach Bundes-, Landes- und Kreisebene differenziert. Belege von Personen mit Doppelfunktion wurden in der Regel auf der höchsten Ebene der ausgeübten Funktionen aufgeführt . Sollte es im Lauf des Prüfungsprozesses zu Funktions- und Ämterwechseln, Austritten oder Ausschlüssen der Personen aus der Partei gekommen sein, sind diese – sofern die Informationen dem BfV vorlegen – in Fußnoten und im Personenglossar vermerkt.

Diese Erfassung verdeutlicht zugleich, dass keine gezielte Beobachtung von Abgeordneten erfolgt ist, sondern lediglich Erkenntnisse zur Ausrichtung der Partei – aus offenen Quellen – gesammelt worden sind. Zudem handelt es sich um Informationen, die extremistische Bestrebungen indizieren, damit in Bezug auf den Abgeordneten seine individuelle Verantwortlichkeit für solche Bestrebungen aufgezeigt wird.

Als Belege dienten programmatische Schriften und Grundsatzpapiere der Partei wie auch Verlautbarungen auf Internetpräsenzen der Organisationseinheiten und der genannten Personen. Weiter wurden Aussagen im öffentlichen Raum, wie z. B. in Sozialen Netzwerken, Publikationen und Reden außerhalb des parlamentarischen Raums, etwa auf Wahlkampfveranstaltungen und Demonstrationen verwendet.

Im Falle von geteilten Beiträgen in den Sozialen Netzwerken wurden diese – unter entsprechender Gewichtung – dem Urheber und ggf. den teilenden Personen oder Organisationseinheiten zugeschrieben. In diesem Fall wurde – wenn nicht bereits auf beiden Ebenen aufgefallen – von einer doppelten Sicherung des Belegs abgesehen.

Das BVerfSchG normiert in § 4 Abs. 1 S. 3 zunächst das Vorliegen „tatsächlicher Anhaltspunkte“ als Voraussetzung für das Tätigwerden des Bundesamtes für Verfassungsschutz und fordert in § 16 BVerfSchG „hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Aufklärung der Öffentlichkeit. Hierbei ist zwischen Prüffällen und Beobachtungsobjekten zu differenzieren.

Einer Beschränkung der Parteienfreiheit im Wege einer Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz steht des Weiteren auch nicht das Parteienprivileg aus Art. 21 Abs. 4 GG entgegen. nicht entgegen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben.

Zudem hat das BVerfG betont, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung auf diese wenigen zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind, zu reduzieren ist. Die Grundentscheidung des Grundgesetzes für einen offenen Prozess der politischen Willensbildung hat zur Folge, dass auch das kritische Hinterfragen einzelner Elemente der Verfassung möglich sein muss.

Der Mensch darf niemals zum bloßen Objekt staatlichen Handelns degradiert werden, sondern ist immer auch als Subjekt zu behandeln, dem um seiner selbst willen, allein kraft seines Menschseins ein Achtungsanspruch zukommt. Durch das Lob des Patriotismus, der Liebe zum Heimatland und des Zusammengehörigkeitsgefühls in der sozialen Gemeinschaft wird zwar die Menschenwürde nicht in Frage gestellt. Die Grenze wird aber dann überschritten, wenn der Einzelne als der Gemeinschaft unbedingt untergeordnet gedacht und seine Würde von der Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft abhängig gemacht wird.

Die Behandlung von Sachthemen wie die Entwicklung von Parallelgesellschaften und daraus resultierende Problematiken als solches begründen jedoch ebenso wenig Verfassungsschutzrelevanz wie das Eintreten für eine restriktive Einwanderungspolitik. Nicht zu beanstanden ist zudem, die Religion oder eine sonstige Lebensanschauung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe inhaltlich zu kritisieren, ohne die Mitglieder dieser Bevölkerungsgruppe persönlich abzuwerten. Auch Forderungen nach einer gesetzlichen Beschränkung der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG oder ihrer Modifikation durch Verfassungsänderung bewegen sich grundsätzlich im Rahmen des allgemeinen politischen Diskurses.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Kritik an der Regierung nicht gegen das Demokratieprinzip verstößt. Des Weiteren ist es auch ohne jede Verfassungsschutzrelevanz, wenn eine Partei eine grundlegende Veränderung der politischen Verhältnisse und der Ausrichtung der Sachpolitik anstrebt, etwa indem sie bestehende Parteien grundlegend kritisiert, deren Auffassungen als vollkommen überholt und schädlich darstellt und diese in Wahlen zu verdrängen sucht.

Das Element der gerichtlichen Kontrolle wird durch die im Rechtsstaatsprinzip verankerte Justizgewährung verkörpert. Diese beinhaltet zugleich die staatliche Pflicht zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes durch Gerichte und den individuellen Anspruch des Einzelnen auf effektiven Rechtsschutz. Die Justizgewährung bildet die Kehrseite zum Gewaltmonopol des Staates.

Insbesondere kann die bloße innere Übereinstimmung oder Sympathie mit den Zielen einer anderen verfassungsfeindlichen Organisation eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht rechtfertigen. Eine Beobachtung kommt erst in Betracht, wenn der Personenzusammenschluss bzw. die für ihn verantwortlich Handelnden selbst auf die Beeinträchtigung des Schutzgutes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinarbeiten.

Des Weiteren kommt es auch nicht darauf an, ob der Personenzusammenschluss gewalttätige oder in sonstiger Weise illegale Aktivitäten entfaltet. Der Verfassungsschutz darf und muss auch Bestrebungen beobachten, die mit legalen Mitteln auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinarbeiten.

Von einem solchen vernünftigen Verdacht ist insbesondere dann auszugehen, wenn es sich bei den festgestellten Tatsachen um Meinungsäußerungen und sonstige Verhaltensweisen handelt, die der Partei zurechenbar sind, wenn in diesen Tatsachen außerdem zum Ausdruck kommt, dass der Handelnde Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung inhaltlich ablehnt und dies auch zum Bestimmungsgrund seines politischen Handelns in der Partei macht und solche Tatsachen...

Ein Personenzusammenschluss kann einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht dadurch entgehen, dass er sich in seinen offiziellen Dokumenten formal zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt und auf das Propagieren verfassungsfeindlicher Ziele verzichtet, wenn seine Mitglieder eben doch die Ablehnung eines Elements der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Bestimmungsgrund ihres politischen Handelns machen.

Daher sind auch Verlautbarungen, Erklärungen und sonstige politische Aktivitäten einer satzungsmäßig anerkannten Jugendorganisation – wie im Falle der AfD die Junge Alternative für Deutschland – der Partei zuzurechnen. Er muss auch nicht alle nach dem abstrakten Wortlaut einer Äußerung theoretisch denkbaren Deutungsmöglichkeiten berücksichtigen. Vielmehr darf er darauf abstellen, wie die konkreten Adressaten in dem jeweiligen Personenzusammenschluss eine Äußerung vernünftiger Weise verstehen dürfen. Vor allem sind besondere Terminologien, Signalwörter und Vorverständnisse des jeweiligen Phänomenbereichs zu berücksichtigen.

kann in der Regel von einem Zu-eigen-Machen im verfassungsschutzrechtlichen Sinne ausgegangen werden. Daneben kann das Teilen bzw. die Verlinkung von Beiträgen jedoch auch ohne ein entsprechendes konkretes Zu-eigen-Machen einen Anhaltspunkt darstellen, da auch in der Weiterverbreitung entsprechender Inhalte eine objektive Unterstützungshandlung zu sehen ist.

Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen einer Partei sind nicht nur dann gegeben, wenn diese in ihrer Gesamtheit solche Bestrebungen entfaltetet, sondern können auch bestehen, wenn eindeutig verfassungsfeindliche Bestrebungen nur bei einzelnen Gruppierungen innerhalb des Personenzusammenschlusses bestehen.

Dabei ist bei einer vernünftigen Betrachtung aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die Gesamtpartei als Bezugspunkt nicht aus den Augen zu verlieren, sondern stets danach zu fragen, inwieweit die verfassungsfeindlichen Bestrebungen innerhalb einzelner Gruppierungen für die künftige Entwicklung der Gesamtpartei von Bedeutung sein können.

Daher können einzelne Anhaltspunkte auf verfassungsfeindliche Bestrebungen eine Bearbeitung als Verdachtsfell nicht rechtfertigen. Es dürfen also nicht bloß einzelne Entgleisungen von Funktionsträgern oder Mitgliedern vorliegen.

Aus § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG folgt auch, dass im Hinblick auf die verfassungsfeindliche Bestrebung keine feste Gewissheit notwendig ist. Vielmehr genügen auf Tatsachen gestützte Anhaltspunkte, die bei vernünftiger Betrachtung einen Verdacht für verfassungsfeindliche Bestrebungen begründen und die deshalb eine weitere Klärung erforderlich erscheinen lassen.

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