Zerbrochene Sicherheit: Die wachsende Gefahr individualisierter Radikalisierung

Gesellschaft Nachrichten

Zerbrochene Sicherheit: Die wachsende Gefahr individualisierter Radikalisierung
RadikalisierungSicherheitMagdeburg
  • 📰 focusonline
  • ⏱ Reading Time:
  • 427 sec. here
  • 17 min. at publisher
  • 📊 Quality Score:
  • News: 202%
  • Publisher: 82%

Ein Anschlag in Magdeburg erschüttert die Gesellschaft. Der Text analysiert die Hintergründe, strukturelle Defizite und die Notwendigkeit eines gemeinsamen Wertekonsenses für die Zukunft Deutschlands.

Ein Anschlag in Magdeburg erschüttert die Gesellschaft und wirft Fragen zu Integration , Radikalisierung und gesellschaftlicher Zersplitterung auf. Andreas Herteux analysiert die Hintergründe, strukturelle Defizite und die Notwendigkeit eines gemeinsamen Wertekonsenses für die Zukunft Deutschlands. Die mit einem Symbol oder Unterstreichung gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links.

Kommt darüber ein Einkauf zustande, erhalten wir eineEs sind schreckliche Bilder, die uns aus Magdeburg erreicht haben und sie trüben jene Tage am Ende des alten und zu Beginn des neuen Jahres, die vom Grunde her von Freude und Besinnlichkeit getragen werden sollten. Die Gedanken sind einerseits bei den Opfern, denen innerhalb weniger Momente jede Sicherheit, die körperliche Unversehrtheit oder gar das Leben genommen wurde. Es waren Unschuldige, die friedlich zusammenkamen und dafür einen hohen Preis bezahlt haben oder es für den Rest ihres Lebens müssen. Der Mensch verarbeitet solche Erlebnisse schwer und es sind häufig nur Sekunden, die schlicht alles ändern. Nicht nur für sie, sondern auch jene in ihrem Umkreis, deren Leben nun belasteter sein wird. Wir sind im Herzen bei ihnen, es bleibt die stille Fassungslosigkeit. Andererseits ist da aber auch das Schaudern, das uns daran erinnert, dass ein solcher Angriff auf unsere Lebensweise und Traditionen, nichts anderes stellt eine solch widerliche Attacke dar, auch an vielen anderen Orten hätte geschehen können. Das führt bei vielen zu einem Unbehagen und es gerät wieder ein Stück Normalität in einer Gesellschaft abhanden, die sich selbst in Teilen längst verloren hat. Ein weiteres herausgefallenes Puzzleteil einer fragilen Gegenwart mit ungewisser Zukunft.Andreas Herteux ist ein deutscher Wirtschafts- und Sozialforscher, Publizist und der Leiter der Erich von Werner Gesellschaft. Herteux ist zugleich Herausgeber und Co-Autor des Standardwerks über die Geschichte der Freien Wähler (FW). Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt.Wir erleben eine taumelnde Wirklichkeit auf allen Ebenen. Die Gesellschaft, die wir kennen, ist in eine Unzahl von Lebenswirklichkeiten zerbrochen, die sich teilweise unversöhnlich und mit verhärteten Positionen gegenüberstehen. Die Digitalisierung wird als Treiber einer neuen Form der Milieubildung sowie der Individualisierung noch immer unterschätzt. Die wirtschaftliche, infrastrukturelle und politische Krise findet auch im Alltag der Menschen immer mehr Niederschlag und wird sich mittelfristig – die angekündigten Arbeitsplatzabbaumaßnahmen lassen an dieser Stelle einiges erahnen – ebenfalls stark auf die soziale Struktur auswirken. Dringende Herausforderungen werden seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr angegangen, sondern mit dem Puderzucker überzogen, der bestenfalls die Perspektive, aber nicht die Tatsachen verschieben kann.Wir lösen keine Probleme mehr, wir verstecken sie und deren Folgen geschickt oder handeln mono-kausal durch Überbetonung einer Teilherausforderung, ohne jedoch anerkennen zu wollen, dass diese in einem Gesamtzusammenhang steht. Beispielsweise bei der Modernisierung des Landes und der Ökonomie, bei der Migration, bei der sozialen Frage, beim Klimawandel, beim Umgang mit neuen Technologien, die sehr unbequeme Fragen aufwerfen werden – die Liste ist lang und wird mit jedem aufkommenden Gedanken länger.Irgendwo dazwischen stehen die Menschen. Sie suchen Orientierung in einer sich sehr schnell verändernden Welt, in der gewohnte Sicherheit zerrinnt und nichts mehr normal erscheint. Es ist die Identitätsfrage, die sich stellt und bei der ein geschwächtes Land immer weniger Unterstützung bei der Selbstfindung leisten kann. Die Gesellschaft zerbricht in immer kleinere Wirklichkeiten, die ihre eigene Realität haben, und das wenige, was noch als einendes Band dienen könnte, verblasst mit jedem Tag mehr. Das sind keine Blasen, denn diese könnten zerplatzen, sondern befestigte Wehranlagen, die nur schwierig zu erstürmen sind. Dies belastet den Zusammenhalt sowie die demokratische Diskursfindung sehr und vergiftet das gesellschaftliche Klima. Milieukämpfe sind der Preis und die Fähigkeit den Kompromiss auch nur finden zu wollen, geht verloren. Allerdings hört der Mensch auch in so einer Welt nicht auf, nach sich selbst zu suchen. Jenes vermag er auch nicht, sondern er wird streben und finden. Ein Prozess, der zum Menschsein dazugehört, allerdings sind die Umfeldbedingungen nun dynamischer und komplexer. Einige, und das ist wahr, landen auf diesem Weg im Extremismus, wobei es keine Rolle spielt, ob dieser links, rechts, religiös oder mit einer sonstigen Weltanschauung begründet wird.Es widerstrebt daher dem Gefühl der Trauer, dem Verursacher des Leides in Magdeburg zu widmen, aber offenbar gehört er – dies steht immer unter dem Vorbehalt der bisherigen Informationslage – zu jenem Kreis, der sich seine Ideologie individuell gemixt hat. Das Täterprofil ist auf den ersten Blick diffus. Ein aus Saudi-Arabien stammender, fünfzigjähriger Arzt, der seit 2006 in Deutschland ist und daher zweifelsfrei in einem angesehenen Beruf arbeitet. Nach gängigen Definitionen ist er integriert. Zugleich lehnt er seine kulturellen Wurzeln und Traditionen, im Besonderen den Islam, ab. Dieses nicht nur persönlich-passiv, sondern öffentlichkeitswirksam-aktiv. Ein anti-muslimischer und anti-saudi-arabischer Aktivist, dessen öffentliche Äußerungen und Beiträge in sozialen Medien eindeutig seine Haltung dokumentieren. Ein überzeugter Kämpfer für seine individuelle Weltanschauung, die durchaus auch wahrgenommen wurde. Letzteres geht sogar so weit, dass sich zumindest ein Interview mit ihm in einem deutschen Leitmedium wie der FAZ finden lässt. Ein Mann, der in öffentlichen Äußerungen deutlich macht, dass er sich verfolgt fühlt, Deutschland die Verantwortung für die eigenen Ängste aufbürdet und in sozialen Medien Sympathien für die AfD ausdrückt. Eine unvorhersehbare Selbstradikalisierung eines Attentäters, der jenem Land eine tiefe Wunde zufügte, das ihn in seiner schwächsten Stunde aufgenommen und die Chance auf ein besseres Leben gegeben hat.Wie konnte es so weit kommen? Im Einzelfall wird man es ermitteln, auf struktureller Ebene vermutlich ignorieren, da das Phänomen der individualisierten Radikalisierung jenseits der gängigen Muster noch nicht ausreichend erforscht ist. Es ist eine neue Erscheinungsform des stochastischen Terrorismus, der viel schwieriger zu identifizieren ist als jener, den man in die Standardweltanschauungen einordnen kann. Es geht hier aber gerade nicht mehr um ein linkes, rechtes oder religiöses Schema. Es ist eine Art Blumenwiesen-Ideologisierung, bei der sich die Betroffenen keinen fertigen Strauß an Ideen aneignen, sondern sich diesen individuell, direkt auf der Wiese, die heute nicht selten digital ist, plücken und anschließend zusammenstellen. Denkt man in diesen Mustern, so passt plötzlich auch das gezeigte Interesse für AfD-Posts zur Herkunftsgeschichte des Mannes.Die Gefahr dieser Form der Radikalisierung ist dabei größer denn je zuvor. Deutschland ist auf der Suche, und das gilt auch für viele Menschen. Gewohntes zerbricht, Sicherheiten zerrinnen – für nicht wenige ist die Neuorientierung ein Zwang, keine Wahl. Gibt es keinen einenden Rahmen, werden sich, und dieses ist nach allen Studien und Erhebungen ein allgemeines und kein rein-migrationstypisches, Phänomen, weitere, teilweise abgeschottete sowie individualisierte Lebenswirklichkeiten bilden und damit die Gefahr erhöhen, dass neue radikale Weltanschauungen erzeugt werden, die nicht mehr in die gewohnten Raster passen. Letzteres lässt sich nie vollkommen verhindern, aber strukturell eindämmen. Es ist die Frage nach dem, wer und was wir sind. Es ist jene nach der Identität unseres Landes. Eine starke, auf einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehende Gesellschaft kann viele Menschen vereinen und damit mannigfaltige negative Auswüchse abmildern, eine schwache nicht. Auch das, und das sei widerholt, verhindert den Einzelfall nicht, kann aber Wahrscheinlichkeiten der Radikalisierung verändern und die Gesellschaft befrieden. Dass solche Schlussfolgerungen das Leid von Magdeburg nicht mildern, muss nicht erwähnt werden. Wir können uns daher nur darum bemühen, die Risiken weitere Wunden zu erleiden, zu minimieren. Die Narben jedoch werden bleiben.Um aber eine strukturelle Wende einzuleiten, braucht es einen Konsens darüber, was uns ausmacht und wie das Land in Zukunft ausgerichtet werden soll. Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist viel größer, als es die Summe der einzelnen Herausforderungen erahnen lässt. Es geht nicht um Einzelphänomene wie beispielsweise ein wenig Wirtschaft, eine Prise Migration und ein Regierungswechsel. Es geht darum, wie das neue Deutschland sein wird und soll. Wir können es gestalten oder aber wir können die Kräfte schlicht wirken lassen. Noch, und das gebiert Hoffnung, haben wir die Wahl

Wir haben diese Nachrichten zusammengefasst, damit Sie sie schnell lesen können. Wenn Sie sich für die Nachrichten interessieren, können Sie den vollständigen Text hier lesen. Weiterlesen:

focusonline /  🏆 6. in DE

Radikalisierung Sicherheit Magdeburg Extremismus Integration Digitalisierung Gesellschaft Demokratie

Deutschland Neuesten Nachrichten, Deutschland Schlagzeilen

Similar News:Sie können auch ähnliche Nachrichten wie diese lesen, die wir aus anderen Nachrichtenquellen gesammelt haben.

Die Alpen: Paradies für Touristen und Gefahr für die NaturDie Alpen: Paradies für Touristen und Gefahr für die NaturDer Text beschreibt den wachsenden Tourismus in den Alpen, der zu Überfüllung und Umweltproblemen führt. Ein Beispiel ist ein Waldbrand, der 2016/2017 durch ein Lagerfeuer zweier Münchner ausgelöst wurde. Außerdem werden die frühen Alpenreisenden, wie Ludwig Steub und Heinrich Noë, erwähnt, die mit ihren Berichten die Popularität der Alpen förderten.
Weiterlesen »

Sicherheit in Städten: Videoüberwachung soll Sicherheit in Norderstedt verbessernSicherheit in Städten: Videoüberwachung soll Sicherheit in Norderstedt verbessernNorderstedt (lno) - Die Stadt Norderstedt setzt auf Videoüberwachung, um zwei Kriminalitätsschwerpunkte zu entschärfen. An den zentralen Busbahnhöfen
Weiterlesen »

Kardinal Woelki Warnt vor Politischen Entwicklungen in SilvesterpredigtKardinal Woelki Warnt vor Politischen Entwicklungen in SilvesterpredigtKardinal Rainer Maria Woelki kritisiert in seiner Jahreswendepredigt die zunehmende Polarisierung und die Gefahr autoritärer Strömungen.
Weiterlesen »

Ex-Google-Chef: Wenn KI einen bestimmten Punkt erreicht, sollten wir »ernsthaft darüber nachdenken, den Stecker zu ziehen«Ex-Google-Chef: Wenn KI einen bestimmten Punkt erreicht, sollten wir »ernsthaft darüber nachdenken, den Stecker zu ziehen«Ein Kill-Switch könnte KI-Systeme abschalten, die eine Gefahr für die Menschheit darstellen.
Weiterlesen »

Söder fordert 'Zeitenwende' für die innere SicherheitSöder fordert 'Zeitenwende' für die innere SicherheitCSU-Chef Markus Söder fordert eine 'Zeitenwende' in der inneren Sicherheit nach der Todesfahrt in Magdeburg. Er plädiert für ein neues Sicherheitspaket nach der Bundestagswahl und kritisiert die mangelnde Nutzung technischer Möglichkeiten zum Schutz des Landes.
Weiterlesen »

Söder fordertZeitenwende für die innere SicherheitSöder fordertZeitenwende für die innere Sicherheitidowa.de informiert Sie zuverlässig über aktuelle Nachrichten, spannende Geschichten und Hintergründe - alles, was in Bayern passiert
Weiterlesen »



Render Time: 2025-02-21 05:31:51