Asylverfahren und Abschiebungen: Experten warnen vor Defiziten

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Ein Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags zum Messerangriff in Solingen beleuchtet eklatante Missstände bei Asylverfahren und Abschiebungen. Sachverständige warnen vor strukturellen Defiziten und fordern mehr Konsequenz bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht.

Der blutige Messerangriff von Solingen soll von einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden. Die Expertenanhörung vor dem Düsseldorfer Landtag gerät zu einer Abrechnung mit den staatlichen Defiziten des Asylsystems. Es begünstige weitere Anschläge. Mehrere Sachverständige haben im Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags zum Solinger Terroranschlag eklatante Missstände bei Asylverfahren und Abschiebungen aufgezeigt.

Der Richter am Bundesverwaltungsgericht Leipzig und Düsseldorfer Rechtsprofessor Martin Fleuß sagte, Defizite des deutschen und des europäischen Migrationsrechts hätten, neben weiteren Faktoren, 'den Boden für den Anschlag von Solingen bereitet'. Sie könnten 'jederzeit für die Verübung weiterer Anschläge vergleichbarer Art ausgenutzt werden'.\Der Konstanzer Rechtsprofessor Daniel Thym nannte beim Eintritt des Ausschusses in die Beweisaufnahme zahlreiche Hinderungsgründe für Rückstellungen. So sei es etwa kontraproduktiv, Asylbewerber dezentral unterzubringen, sagte der Europa- und Völkerrechtsexperte. Dies erschwere den Zugriff der Behörden. Das Problem potenziere sich, wenn die Asylsuchenden in kleinen Einheiten untergebracht würden. 'Warum sollten Asylbewerber eine Ausreisepflicht ernst nehmen, wenn der Staat bereits aktiv sich um ihr Bleiben kümmert?'\Das mutmaßlich islamistisch motivierte Messer-Attentat vom vergangenen August in der Solinger Innenstadt wirft aus Thyms Sicht ein Schlaglicht auf strukturelle Defizite bei den sogenannten Dublin-Überstellungen in eigentlich zuständige andere europäische Staaten. In vielen Fällen gebe es einen 'kalten Boykott des Dublin-Systems durch die Ersteinreiseländer', stellte er fest. 'Dublin kann nicht funktionieren, weil das System von Designfehlern durchzogen ist.' Überall gebe es 'Sand im Getriebe - auch in NRW'.Dass Italien derzeit überhaupt niemanden mehr zurücknehme, sei zwar eindeutig europarechtswidrig. Auch zuvor seien die Rückführungen dorthin aber 'ein Kampf gegen Windmühlen' gewesen, weil Menschen, die etwa morgens mit dem Flugzeug nach Mailand abgeschoben worden seien, für wenig Geld in kurzer Zeit mit dem Bus wieder nach Deutschland einreisen könnten. 'Das ist nicht nur Theorie', sagte Thym. 'In Deutschland leben über 15.000 Menschen, die bereits einmal nach der Dublin-Verordnung überstellt worden waren und dann nach Deutschland zurückkehren.' Der früher in Münster lehrende Migrationsforscher Dietrich Thränhardt stellte fest, trotz des Drängens der leidtragenden Kommunen und Bundesländer seien die Asylverfahren in Deutschland in den vergangenen Jahren nicht schneller geworden. \Thym rechnete vor, wenn man das Asylverfahren und ein Klageverfahren gegen den Bescheid zusammenrechne, dauere es in Deutschland im Durchschnitt mehr als drei Jahre, bis es die theoretische Möglichkeit einer Abschiebung gebe - die in der Praxis allerdings oft fehlschlage. 'Das ist absurd', sagte der Jurist. Der mutmaßliche Attentäter, der Syrer Issa Al H., hätte eigentlich schon 2023 den EU-Asylregeln zufolge nach Bulgarien abgeschoben werden sollen. Das scheiterte jedoch - auch, weil er zunächst in seiner Flüchtlingsunterkunft nicht angetroffen worden war. Das sei typisch für bundesweit etwa jeden zweiten solcher gescheiterten Rückführungsfälle, sagte Thym. Zwar seien sogenannte Nachtzeitverfügungen für den Aufenthalt in der Einrichtung möglich, allerdings müsse es dafür jeweils Einzelfallentscheidungen geben. 'So verheddert sich das Asylrecht in einem Dickicht von Einzelfallprüfungen zu verschiedensten Fragen', bilanzierte der Sachverständige. Zusammen mit knappen Ressourcen bei Polizei und Ausländerbehörden sowie zu wenigen Abschiebehaftplätzen sei das 'letztlich ein Rezept für innerstaatliche Dysfunktionalität'. In den vergangenen Jahren sei zu vielen die Einreise ermöglicht worden, die teils nicht willig oder fähig seien, sich zu integrieren, oder nicht Schutz, sondern Wohlstand suchten, stellte Fleuß fest. Das sei zwar verständlich, aber 'die Bundesrepublik Deutschland kann nicht der Ausweg für die Defizite in den Ökonomien und Sozialsystemen dieser Welt sein'. Einigen Parteien im Bundestag sei es in den vergangenen Jahren ein großes Anliegen gewesen, 'das Institut der Duldung zu einem temporären Ersatzaufenthaltsrecht auszubauen', bilanzierte der Rechtsexperte. 'Parallel dazu wurde immer mehr Bleiberecht geschaffen und damit alles getan, um einer an sich verpflichtenden Durchsetzung der Ausreisepflicht gesetzgeberisch entgegenzuwirken'

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