Die AfD und die Verzweiflung der Arbeitersklasse

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Die Ursachen für den Aufstieg der AfD sind vielfältig und komplex. Dieser Artikel beleuchtet die wachsende Verzweiflung der arbeitenden Bevölkerung, die durch systemische Ungleichheit und den Verlust von sozialen Sicherheiten am Rande der Gesellschaft steht.

Arian Berisha (Name geändert) ist 38 Jahre alt. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen und arbeitet im öffentlichen Dienst. Die Familie wohnt im Eigenheim, es geht ihnen grundsätzlich gut. Und trotzdem wählt der Mann, der eine Einwanderungsgeschichte hat, die AfD. Man könnte – so man gewillt ist – das sogar nachvollziehen. Doch zunächst ein Blick in die USA.

Es gab genügend Gründe, Donald Trump, den mehrfach verurteilten Straftäter, mit autoritären, rassistischen, frauenfeindlichen Ansichten, die er im Wahlkampf offen im ganzen Land verbreitete, nicht zum Präsidenten zu wählen. Trotzdem gaben knapp mehr als die Hälfte der Menschen, die zur Wahl gingen, diesem Mann ihre Stimme, darunter viele Frauen, Schwarze, Latinos und Latinas, Hispanics, Eingewanderte. Sind diese Menschen alle Rassisten, Sexisten, Faschisten? Trumps Wähler:innen geben auf diese Frage in der Regel zwei Antworten: Die Lebenshaltungskosten. Und die „illegale Migration“. Um den Zusammenhang zwischen diesen Antworten zu verstehen, muss man ein paar Jahrzehnte zurückspringen: Zu Ronald Reagan. Während der Präsidentschaft Reagans begann in den USA ein kontinuierlicher Abbau des Sozialstaats und eine massive Umverteilung von unten nach oben, die bis heute anhält. Reagan erzählte der Bevölkerung, dass der Sozialstaat nur den „Faulen“ („undeserving“) diene und brachte die Menschen so dazu, für ihre eigene Verarmung zu stimmen. Das Versprechen, dass es den Kindern besser gehen wird als einem selbst, gilt für viele Menschen nicht mehr. Die arbeitende Bevölkerung wurde zum eigenen Henker gemacht. Kombiniert mit enormen Steuerprivilegien für Reiche führte das laut dem Thinktank Rand Corporation dazu, dass in den vergangenen 50 Jahren etwa 50 Billionen Dollar von den unteren 90 Prozent der Bevölkerung zum oberen einen Prozent der Gesellschaft verschoben wurden. Egal, ob Republikaner oder Demokraten an der Regierung waren. Öffentliche Infrastruktur, Schulen, soziale Absicherung – alles verlor an Qualität und Wert. Das System benachteiligt die arbeitende Bevölkerung bis heute strukturell. Aus Rache Trump gewählt Auftritt Donald Trump heute: Schuld an eurer Lage sind die „illegalen Migranten“ und das korrupte System. Dabei gehört sein ganzes Leben zum System, zu diesem einen Prozent, dessen Reichtum auf der Arbeit der Menschen im Land basiert. Trump stellt sich dennoch als „Außenseiter“ dar. Und viele Menschen denken: Alle Präsidenten haben versprochen, dass es uns besser gehen wird. Es ist aber immer nur schlimmer geworden. Und nun kommen auch noch Migranten und nehmen uns den Rest an Wohlstand und Sicherheit. Trump ist der Einzige, der unseren Schmerz sieht, er verspricht Veränderung. Die bringt er auch – allerdings noch stärker zum Vorteil der Vermögenden. Aber das interessiert viele nicht. Der US-amerikanische Historiker John Komlos erklärt, dass sie Trump „aus Rache“ gewählt haben: „Das System hat sie nicht gut behandelt.“ Zurück nach Deutschland. Die Vermögensungleichheit in Deutschland ist fast so hoch wie in den USA. Auch in Deutschland sind die Vermögen in einem winzigen Teil der Bevölkerung konzentriert. Der sogenannte Gini-Koeffizient von 0 bis 1 misst die Ungleichheit in einer Gesellschaft: Je näher er bei 1 liegt, desto ungleicher sind Einkommen und Vermögen verteilt. In den USA liegt dieser Wert für Vermögen bei 0,85, in Deutschland bei 0,79. Deutschland gehört innerhalb der westlichen Demokratien zu den Staaten, in denen Vermögen am stärksten ungleich verteilt sind. Das liegt in erster Linie an Steuerprivilegien für Vermögende. Vermögen und Einkommen werden in Deutschland unterschiedlich behandelt. Vermögende können, wenn sie gute Berater:innen haben, mit einem effektiven Steuersatz von 0 oder 1 Prozent wegkommen. Im Schnitt zahlen laut ZDF-Recherchen Multimillionäre 29 Prozent Steuern, Milliardäre 26 Prozent. Während Menschen, die wie der AfD-Wähler Arian Berisha von ihrem monatlichen Einkommen leben, bis zur Hälfte davon in Form von Steuern und Abgaben an den Staat geben müssen. Vermögende hingegen können systematisch mit weit niedrigeren Steuersätzen leben. Die arbeitende Bevölkerung wird strukturell benachteiligt. Das Versprechen, dass es den Kindern besser oder zumindest nicht schlechter gehen wird als einem selbst, gilt für viele Menschen in Deutschland nicht mehr. Einer von ihnen ist Arian Berisha. Er und viele andere Menschen zahlen hohe Steuern und Abgaben, sie ziehen die nächste Generation auf – und bekommen in einem der reichsten Länder der Welt nicht das, was sie eigentlich dafür bekommen sollten: Eine gute Infrastruktur, hochwertige öffentliche Schulen ohne Mangel an Lehrkräften, einen Kitaplatz, bezahlbaren Wohnraum, moderne Digitalisierung, eine funktionierende und gut ausgestattete Verwaltung. Und so spüren diese Menschen, dass etwas nicht stimmen kann.

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